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E-Book

Der Cannabis-Irrsinn

Warum uns das Verbot schadet

AutorMischa Hauswirth
VerlagNachtschatten Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783037883518
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Egal, ob Sie in Euro oder Franken rechnen - europaweit werden Jahr für Jahr Hunderte von Millionen in die Cannabis-Repression gepumpt. Ändert das etwas am Angebot oder an der Nachfrage? Verbessert sich dadurch der Konsumenten- oder Jugendschutz? Das Gegenteil ist der Fall. Während die Konsumenten kriminalisiert und schikaniert werden, profitieren Dealer, kriminelle Banden und international operierende Kartelle. Jahr für Jahr teilen sie sich die Milliardengewinne, während der Staat leer ausgeht. Der Journalist Mischa Hauswirth zeigt in seiner Analyse anhand von neuesten Zahlen auf, wie die europäische Verbotspolitik gescheitert ist und weshalb nur ein Ende der Prohibition verbunden mit dem Einstieg in ein Regulationsmodell den Teufelskreis zu durchbrechen vermag. Wer heute über Cannabis diskutiert, sollte wissen, welchen finanziellen Aufwand die aktuellen Gesetze nach sich ziehen, wie der sinnvolle medizinische Einsatz von Hanf unnötig erschwert wird und wie ein Wirtschaftskomplott aus den 1930er Jahren gegen eine wertvolle Nutzpflanze die Cannabispolitik bis heute bestimmt. 'Das Buch von Mischa Hauswirth ist wertvoll, weil es dazu beiträgt, mittels einer eingehenden und objektiven Analyse die Dogmen und Vorurteile, die schon viel zu lange die Diskussionen beherrschen, umzustoßen.' 'Cannabis ist ebenso ein Symbol der Absurdität wie des Mangels an Glaubwürdigkeit der aktuellen Drogenpolitik.' Aus dem Vorwort von Dick Marty (Jurist, Tessiner Alt-Ständerat und ehemaliger Staatsanwalt) www.cannabis-irrsinn.info

Mischa Hauswirth (Jg. 1971) ist in Olten geboren und lebt heute in der Nähe von Basel. Er arbeitet als Redakteur und Autor bei einer grossen Schweizer Tageszeitung und schreibt dort über Gesellschaftsthemen, Drogenpolitik, Kriminalität und Justiz. Den ersten Artikel über Hanf hat er 1998 über medizinisches Cannabis und eine Studie mit Multiple-Sklerose-Patienten verfasst. Seither hat er etliche Artikel zu Cannabis veröffentlicht.

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Leseprobe

VORWORT


Als junger Staatsanwalt sah ich mich sehr schnell mit dem Drogenproblem konfrontiert. In jenen Jahren fing die Presse damit an, mehr und mehr über Prozesse gegen Jugendliche zu berichten, die Cannabis konsumiert oder ihren Freunden verschafft hatten. Ein paar beschlagnahmte Gramm Drogen machten damals große Schlagzeilen. Die Emotionen waren ziemlich heftig, da es sich ganz oft um gewöhnliche Jugendliche ohne irgendwelche Probleme handelte, und die öffentliche Meinung forderte unnachgiebig eine starke Reaktion der Strafverfolgungsbehörden. Der Sprachgebrauch der Politiker, der Medienschaffenden sowie der Verantwortlichen der Justiz erinnerte an eine militärische Operation – Krieg gegen Drogen – oder beschrieb eine Naturkatastrophe – die Drogenplage. Eine Sprache und eine Aufregung, die sonst nur selten und im Hinblick auf beängstigende Phänomene verwendet wird, oder bei schlimmen Ereignissen, die das menschliche Leben beeinflussen: Es genügt, Alkoholismus oder Tabakkonsum zu erwähnen – um beim Konsum von Substanzen zu bleiben, die eine Abhängigkeit hervorrufen –, oder Verkehrsunfälle. Die Drogendebatte ist also dominiert von den Emotionen, und sie wird es noch für lange Zeit sein. Das Thema Drogen war ein wichtiges Argument der Kampagnen der US-amerikanischen Präsidenten: Die Absichtsbekundung, den Krieg gegen die illegalen Drogen von allen Seiten her zu führen, löste enthusiastischen Beifall aus und wurde zum wichtigen Punkt der Wahlprogramme. In diesem Punkt hat das amerikanische Modell bei uns Schule gemacht.

Während die Prohibition und die Repression in der politischen Agenda die Oberhand gewannen, setzte sich die Droge unweigerlich im Markt fest. In meinem Büro kam es zu einer langen Schlange von Jugendlichen, die wegen Konsum oder geringfügigem Handel angeklagt waren. Ich war also überzeugt von den Argumenten, die eine Kriminalisierung des Konsums rechtfertigten. Auf der einen Seite wurde beteuert, dass die Bestrafung des Konsums eine verhindernde Wirkung habe und helfe, die Jugend zu schützen. Auf der anderen Seite wurde behauptet, dass es, wenn man Konsumenten anklage, die Polizei leichter habe, die Netzwerke der Drogenhändler aufzudecken.

Ich habe ziemlich rasch gemerkt, dass diese Rechtfertigungen jeglicher Grundlage entbehren. Die Kriminalisierung des Konsums von Drogen stellt übrigens einen Fremdkörper im Strafsystem dar. Letzteres wurde entwickelt, um sich gegen einen widerrechtlichen Eingriff wehren zu können. Trunkenheit als solches hingegen ist nicht strafbar; sie ist es nur, wenn man ein Fahrzeug lenkt, weil man dann eine Gefahr für den Straßenverkehr und die Integrität der anderen darstellt. Produktion und Handel mit Absinth war bis vor kurzem strafbar, nicht aber Absinth zu trinken. Der Selbstmordversuch war in gewissen Rechtssystemen strafbar, weil man der Ansicht war, dass es sich um einen Akt gegen Gott und seine Schöpfung handelt. Sich absichtlich ein Bein zu brechen, ist kein Delikt; zu einem solchen wird es erst, wenn man damit die Absicht hat, sich dem Militärdienst zu entziehen.

Abgesehen von diesen rechtlichen Überlegungen: Die Kriminalisierung des Konsums ist nicht nur komplett gescheitert, was die Erwartungen des Gesetzgebers betrifft – Jugendschutz und Wirksamkeit der Repression gegen Drogenhandel –, sie ist auch äußerst ungerecht. Ich erinnere mich an eine Episode, die mich ziemlich erschüttert hat: Einmal, als ich einer jungen Frau in Untersuchungshaft eine Moralpredigt hielt, blickte sie mir in die Augen und sagte: «Ich bin im Gefängnis, weil ich drogenabhängig bin. Aber warum ist mein Vater nicht hier? Denn er ist jeden Abend besoffen, und sein Alkoholismus hat unsere Familie zerstört. Er schlägt meine Mutter, und sie wagt es nicht, dagegen aufzubegehren, aus Angst, dass er sie beim nächsten Mal noch heftiger schlägt.» Ich wusste nicht, was ich ihr hätte antworten sollen.

In Wirklichkeit ist die Kriminalisierung des Konsums nicht nur ineffizient und ungerecht, sie stellt außerdem für die Prävention ein Hindernis dar, insbesondere für eine frühzeitige Prävention. Das Wissen darum, eine strafbare Handlung begangen zu haben, sowie das Risiko, es mit der Polizei zu tun zu bekommen oder bestraft zu werden, hält viele Jugendliche davon ab, sich dem Umfeld anzuvertrauen, über den Drogenkonsum zu sprechen und Rat zu suchen. Insbesondere jene, bei denen es sich um die ersten Erfahrungen mit Drogen handelt. Diese Jugendlichen sind somit gezwungen, ihren Konsum im Verborgenen zu halten.

Unter Berücksichtigung dieser Gründe empfahl ich der «Subkommission Drogen» der Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen die Straffreiheit für Drogenkonsum. Mein Vorschlag schockierte, gerade weil er von einem Repräsentanten der Repression kam. Auch wenn die Mehrheit am Anfang skeptisch war – am Ende von leidenschaftlich geführten Diskussionen, die mehrere Sitzungen lang dauerten, wurde meine Empfehlung einstimmig angenommen. Das war in den 1980er-Jahren. Die Empfehlung wurde jedoch immer noch nicht in die Tat umgesetzt. Im Jahr 2003 schlug der Bundesrat die Entkriminalisierung des Hanfkonsums vor. Der Ständerat trat darauf ein, der Nationalrat hingegen lehnte ab. Am Tag vor dieser emotionalen Debatte im Nationalrat (wir befanden uns einige Wochen vor den eidgenössischen Wahlen) akzeptierten die beiden Stände die Liberalisierung von Absinth, nach mehr als einem Jahrhundert des Verbots und trotz der Opposition der illegalen Produzenten aus dem Val de Travers, die nach wie vor von der Prohibition profitierten. Heute gibt es immer noch Staats- beziehungsweise Regierungsräte sowie andere Politiker, die für eine stärkere Repression gegen den Drogenkonsum plädieren. Ja, offensichtlich zahlt es sich politisch aus, sich als Champions der Muskel-Methode zu präsentieren – mag es auch nichts bringen, so scheint es doch zu beruhigen. Um Wählerstimmen zu gewinnen, ist man sich offensichtlich für keinen Schwindel zu schade.

Dennoch hat die schweizerische Politik im Bereich Drogenpolitik auf Veranlassung von Alt-Bundesrat Flavio Cotti und vor allem von Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss beachtliche Fortschritte gemacht. Die Vier-Säulen-Politik war sehr innovativ und ist bei zahlreichen Ländern auf großes Interesse gestoßen. Die Krankheit Aids hat sicherlich zu diesem Richtungswechsel beigetragen.

Jenseits der Frage, ob Konsum bestraft werden soll, gilt es, Sinn und Zweck des Verbots als solches zu diskutieren. In meinem Büro musste ich mich oft mit Jugendlichen auseinandersetzen. In den Augen des Gesetzes waren sie sicher alle Delinquenten, aber sie waren meistens Opfer der Drogen und stammten aus schwierigen sozialen Verhältnissen oder zerrütteten Familien. Meistens führte das System der herkömmlichen Strafuntersuchung tatsächlich zur Bestrafung des schwächsten Gliedes in der langen Kette der Drogenmarktteilnehmer. Fast alle der sehr jungen Angeklagten waren in doppelter Hinsicht Opfer: zunächst einmal der Drogen, insbesondere der sogenannten «harten Drogen», an denen sie zerbrachen; und dann Opfer der Repression, welche die Ausgrenzung, die sie erlebten, nur noch schlimmer machte, auch wenn der Anspruch bestand, diese Jugendlichen zu resozialisieren.

Die Bestrafung war – und ist es noch zu oft – die einzige Antwort, die man auf das Phänomen der Drogenabhängigkeit zu geben weiß. Ein Gefängnis war und ist selbstverständlich nicht in der Lage, die Aufgabe zu übernehmen, die ihm eine hilflose und unfähige Gesellschaft aufträgt, weil sie keine geeignete Behandlung anzubieten vermag. Der sehr hohe Anteil an Drogenabhängigen bei Gefängnisinsassen im Strafvollzug hat unüberwindbare Probleme geschaffen, und dieser sieht sich mit einer Aufgabe konfrontiert, die nicht die seine sein kann. Das Gefängnis hat enorm darunter gelitten, sodass die von Michel Foucault in «Überwachen und Bestrafen» (1975) vertretene These wieder eine dramatische und einleuchtende Aktualität erhielt: «Statt festzuhalten, dass es dem Gefängnis nicht gelingt, Verbrechen zu reduzieren, sollte man vielleicht die Hypothese aufnehmen, dass das Gefängnis erfolgreich Kriminalität verursacht.»

Die kriminellen Organisationen können von dieser Sachlage nur profitieren. Wichtige Teile der Polizeiressourcen werden so im Kampf gegen die kleinen Fische der Kriminalität eingesetzt, und es bleibt keine oder nur wenig Kapazität, um gegen die Hintermänner vorzugehen. Wenn andererseits kleine Dealer (meistens auch Konsumenten) regelmäßig aus dem Weg geräumt werden, ersetzen kriminelle Banden diese schnell und ohne Schwierigkeiten, was wiederum nur zur Erstarkung der undurchdringlichen Strukturen so-wie der verheerenden Wirkung solcher Gruppen beiträgt.

Eines Tages rief ich frustriert den Chef der Drogenfahndung an: Wir können nicht auf diese Weise weitermachen, es braucht einen Strategiewechsel, sagte ich. Man muss nicht mehr auf alles schießen, was sich bewegt, man muss beobachten, infiltrieren, sich umhören, man muss versuchen zu verfolgen, wohin das Geld fließt. Die Ergebnisse haben nicht auf sich warten lassen. Es wurden keine kleinen Konsumdosen mehr aufgegriffen, dafür Hunderte von Gramm, ebenso mehrere Kilo und 1987 in Bellinzona 100 Kilo Heroin; auch wurden ohne Schwierigkeit beachtliche Finanzkanäle aufgedeckt, in denen Drogengelder von einem Land problemlos ins nächste transferiert wurden.

Diese neue Strategie ist nicht von allen geschätzt worden. Warum sich in die internationalen Untersuchungen einmischen? Warum sich nicht einfach auf seine Seite des Gartens konzentrieren? Sich um die kleinen Dealer zu kümmern, hatte den Vorteil, dass man am Ende des Jahres exzellente Statistiken vorweisen konnte. Diese erlaubten, scheinbar stattliche Dossiers vorzuweisen und eine...

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