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Medienarbeit 2.0

Cross-Media-Lösungen. Das Praxisbuch für PR und Journalismus von morgen

AutorNorbert Schulz-Bruhdoel
VerlagFrankfurter Allgemeine Zeitung GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl262 Seiten
ISBN9783899814859
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Der offene Dialog im Web 2.0 bringt einschneidende Veränderungen mit sich - sowohl für die Journalisten als auch für die PR-Zunft. Denn jeder Bürger kann mit den Funktionen der 'Social Media' selbst publizieren, was er für mitteilenswert hält. Der Internetnutzer stellt die Themen- und Meinungshoheit von Zeitung, Fernsehen und Radio in Frage. Er misstraut dem Medienangebot und schafft neben den etablierten Medien neue Foren für den Informations- und Meinungsaustausch in Weblogs und Wikis, Communities und virtuellen Welten. Dieser epochale mediale, ja kulturelle Paradigmenwechsel, in dessen Folge die klassischen Medien stetig an Bedeutung verlieren, zwingt die Branche zum Umdenken. Crossmediales Arbeiten wird zur Pflicht, will man die Chancen des Web 2.0 nutzen und aktiv an der rasanten Entwicklung teilnehmen. Doch viele Unternehmen zögern und verkennen noch das Potential, das Web 2.0 bietet. Es ist ohne Alternative, sich auf die neue Kommunikationskultur des Netzes einzulassen, aber dazu müssen sich Organisationsstrukturen, Denk- und Handlungsweisen verändern. Nur der rückhaltlos offene und ehrliche Dialog auf allen Kanälen verspricht Erfolg. Auf die Kommunikationsmanager kommen spannende Zeiten zu: Sie müssen sich neu erfinden. 'Medienarbeit 2.0' macht die Möglichkeiten des Web 2.0 transparent und vermittelt die strategischen Ansätze für Berater und Unternehmen, die den Chancen und Herausforderungen einer sich rasant ändernden Kommunikationskultur durch Denken in neuen Strukturen gewachsen sein wollen. Ein Buch für die Kommunikationsbranche, das richtungsweisend ist. Jetzt in der 2., aktualisierten Auflage!

Norbert Schulz-Bruhdoel, Inhaber der Agentur Punktum PR + Dialog, arbeitet als PR-Berater und Journalist. Der studierte Jurist und Historiker arbeitete als Wissenschaftsjournalist u.a. in London und später als Pressesprecher von Hochschulen und Verbänden. Er ist Autor des Standardwerks 'Die PR- und Pressefibel'. Michael Bechtel war bis 1998 Mitglied der Bundespressekonferenz in Bonn. Heute hat sich der Freie Journalist auf Themenfelder der Wirtschaft verlagert und arbeitet für aktuelle Medien und im Auftrag von Unternehmen, Verbänden und Institutionen. Seit zwanzig Jahren engagiert er sich auch in der Weiterbildung von Journalisten und PR-Verantwortlichen.

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Leseprobe

II   MEDIENKONSUM UND GESELLSCHAFT


„Alle, die nach Abwechslung rufen, langweilen sich.“

SØREN A. KIERKEGAARD

Überblick

•  Warum alle ins Internet drängen.

•  Warum die Gesellschaft immer neue Medien akzeptiert.

•  Warum sich immer mehr Menschen dem Internet zuwenden.

•  Warum sich das soziale Leben zum Teil im Internet abspielt.

•  Warum viele Medienprodukte nicht überleben werden.

Als Gossip Girl im Herbst 2007 in Serie ging, waren die Einschaltquoten katastrophal; das änderte sich auch in den folgenden Monaten nicht. Der New Yorker Sender „The CW“, ein Joint-Venture von CBS und Warner, hätte die frivolen Geschichtchen rund um ein paar junge Leute aus besseren Kreisen längst von den Bildschirmen verbannt, wenn er nicht eine paradox scheinende Beobachtung gemacht hätte: Überall in den USA sprossen die Fanclubs von Serena, Blair, Chuck und den anderen Teenagern wie Pilze nach einem warmen Regen; die Fernsehserie genoss ein enormes Maß an Popularität. Des Rätsels Lösung: Schon nach den ersten Folgen belegte die Serie regelmäßig den ersten Platz unter den meistgesehenen Sendungen auf iTunes Store (www.apple.com/itunes), einem kommerziellen Internetportal, das pro Serienfolge immerhin zwei Dollar kassiert. Hinzu kommen Hunderttausende, die sich die Abenteuer mit einer Woche Verspätung auf der CW-Webseite anschauen. Millionen junge Menschen versammeln sich nicht vor den TV-Geräten, sondern genießen ihre Lieblings-Telenovela irgendwo – am PC, am Notebook oder per iPod. Im September 2010 startete die vierte Staffel, die vorangegangen Folgen von Gossip Girl wurden in mehr als 40 Länder verkauft (in Deutschland lief die Serie auf ProSieben) und sammelten 14 TV-Auszeichnungen ein.

Ob das Beispiel die multimediale Zukunft vorwegnimmt, in der Inhalte „on demand“ angesehen werden, und nicht dann, wenn das Fernsehprogramm sie ausstrahlt, wird sich zeigen. Daran glauben offensichtlich die Fernsehmacher ganz fest, denn überall drängen sie mit beispielloser Energie in die digitale Welt. In Großbritannien scheiterte im November 2008 die BBC mit ihrem Plan, landesweit 65 regionale Online-Portale aufzubauen. Das, so befand die Medienaufsichtsbehörde „Ofcom“, hätte den Wettbewerb mit den Verlegern regionaler Zeitungen über die Maße verzerrt. In Deutschland aber haben die Ministerpräsidenten der Länder am 23. Oktober 2008 dem „12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag“ zugestimmt, nach dem ARD und ZDF künftig mit einer Fülle von Angeboten im Internet vertreten sein dürfen. Die Landesfürsten hatten sich vom wütenden Protest der Zeitungsverleger wenig beeindruckt gezeigt; zumal die Rundfunkräte der Sender, in denen gesellschaftliche Gruppen von Gewerkschaften über Parteien bis zu Kirchen vertreten sind, die Pläne von ARD und ZDF unterstützt haben.

1      Das Fernsehen geht ins Netz


„Die fetten Jahre kommen“ titelte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zu den Geschehnissen. Denn die Aufwendungen für den Gang ins Web-TV können die öffentlich-rechtlichen Sendehäuser aus Gebühren finanzieren, 2009 geschätzte 7,7 Milliarden Euro.

Ganz frei in der Gestaltung ihrer Web-Angebote sind die Sender freilich nicht: Sämtliche Online-Formate und neue Angebote müssen in einem Drei-Stufen-Test dahingehend überprüft werden, ob sie mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag der Sender übereinstimmen. Die Testverfahren und die notwendigen Gremien entwickeln ARD und ZDF selbst; bis Ende August 2010 wurden die bereits bestehenden Angebote dem Test unterworfen. Zudem müssen „presseähnliche Angebote“ im Netz einen eindeutigen Sendungsbezug haben, das heißt, sie sollen „der Aufbereitung von Inhalten einer konkreten Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen, soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird … und thematisch wie inhaltlich die Sendung unterstützend vertiefen und begleiten“ (§ 2, Absatz II, Ziffer 18).

Der geänderte Staatsvertrag verlangt, solche Angebote aus dem Sportgeschehen für lediglich 24 Stunden, für alle anderen Sendebereiche maximal sieben Tage lang ins Netz zu stellen. Ausdrücklich erlaubt sind auch sendungsbezogene Angebote mit lediglich unterhaltenden Inhalten. Daran reiben sich die Verlage ganz besonders. Sie fürchten, dass ARD und ZDF mit attraktiven Serien, Comedy und Spielfilmen Kundschaft ködern, um sie letztlich an die gesamte Angebotspalette zu binden. In der Tat haben selbst große Zeitungen in ihren Internetangeboten der Attraktion, die von den TV-Bildern und Live-Schaltungen aus rund 100 Auslandsstudios ausgeht, nichts Vergleichbares entgegenzusetzen.

Erfolgreich sind die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten im Internet schon heute – ihre Informations- und Nachrichtenportale sind unter den meistbesuchten deutschen Internetseiten zu finden. Und sie sind natürlich nicht allein. Die kommerziellen Sender folgen dem gleichen Trend, weil alle wissen: Die Zukunft des Fernsehens ist digital. Deutschland liegt mit einem Digitalisierungsgrad von 56,3 Prozent leicht unter dem westeuropäischen Durchschnitt.23 An der Spitze liegt Finnland mit 100 Prozent, gefolgt von Großbritannien mit 88,5 Prozent.

Erfolgreich sogar im doppelten Sinn – die Sendesignale sind auch im Kabelnetz oder im Satellitenempfang digitalisiert; daneben steht die Entwicklung hin zu digitalen TV-Angeboten, die der Computer aufruft und auf seinem Monitor zeigt. Web-TV kann jeder empfangen, der über einen Computer mit einem leistungsstarken Internetanschluss verfügt. Streaming-Technologie überträgt Fernsehformate auf den Rechner. Zum Web-TV zählen dabei sowohl die von den klassischen TV-Sendern im Internet bereitgestellten Beiträge oder Sendungen als auch Filme auf Video-on-Demand-Portalen oder im weiteren Sinne die Angebote auf Internetseiten wie Clipfish oder YouTube. Wer will, schaut sich die Beiträge direkt auf dem Monitor an, oder er schließt den Computer an den Großbildschirm seiner TV-Anlage an – auch eine Projektion per Beamer in gewaltigen Dimensionen ist nur eine Frage der Leuchtstärke des Beamerstrahls und der Wohnverhältnisse. Fernsehen hat einen Trend zum Luxus entwickelt: Die Verkaufszahlen des Handels belegen, dass die Bildschirmformate oft auf häusliche Kinopaläste hindeuten.

Television to go


Aber das große Bild ist offenbar nicht immer wichtig – das Medium ist die Hauptsache. Ein schnell wachsender Personenkreis sieht sich heute schon Fernsehsendungen auf dem winzigen Display seines Mobiltelefons an. Insgesamt 31 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren, rund 20 Millionen Personen, nutzen das mobile Internet.24 Besonders junge Männer und Verbraucher mit hohem Einkommen sind sehr am mobilen Empfang von TV-Inhalten interessiert: Sie sehen fast doppelt so oft mit ihrem Mobiltelefon Fernsehen wie der durchschnittliche Handy-Nutzer. Besonders beliebt sind News-Portale wie tagesschau.de, N-24 oder n-tv. Die Zugriffe auf diese Plattformen über mobile Endgeräte zeigen hohe Steigerungsraten.

Überhaupt kehren immer mehr junge Menschen dem herkömmlichen Fernsehgerät den Rücken. 70 Prozent der deutschen Schüler missachten das Fernsehgerät und sehen lieber über das Internet fern oder nutzen dort Videos und Filme. Als wichtigsten Grund geben die Schüler die starren Sendezeiten an, die sich schlecht mit ihrem Lebensstil vereinbaren lassen. Zudem verfügt nur eine Minderheit über ein eigenes Fern-sehgerät und kann die Programmauswahl selbst bestimmen. Das ergab eine Umfrage von Emnid im Auftrag des Internetmagazins Tomorrow.25 Der Trend gilt aber für die gesamte Bevölkerung: 65 Prozent schauen Videos im Netz, 40 Prozent nutzen Communities. Die Nutzung bewegter Bilder erfolgt hauptsächlich über Videoportale und über die Mediatheken der Fernsehsender. Inzwischen schauen 24 Prozent der Onliner, das sind rund zwölf Millionen Menschen, mehr oder weniger regelmäßig hinein.26

Unabhängig von der Anwendung beziehungsweise dem Angebotsportal haben bereits 30 Prozent aller Onliner Fernsehsendungen oder Ausschnitte daraus im Internet gesehen, vor allem Fernsehfilme und Serien, aber auch Shows, Unterhaltungssendungen, Comedy oder Buntes, dicht gefolgt von Nachrichtensendungen. Im Mittelfeld bewegen sich die Abrufe von Sendungen zu Kultur, Wissenschaft und Bildung, Sportübertragungen sowie Sendungen zu Politik und Wirtschaft. Ratgeberund Servicesendungen sowie Regionalprogramme werden unterdurchschnittlich häufig im Netz geschaut. Bei Fernsehfilmen und Serien dominieren die weiblichen Nutzer, während es bei Sportsendungen die männlichen Nutzer sind. Ebenfalls nicht überraschend: Fiktionale Sendungen – also Fernsehfilme und Serien – sowie Unterhaltungssendungen werden überwiegend von den jüngeren Nutzern bis 29 Jahren im Internet angesehen, Nachrichtensendungen von den älteren. Gerade aktuelle Sendungen wie Nachrichten und Magazine sind überdurchschnittlich häufig kurz nach ihrer Ausstrahlung im TV-Programm gefragt. Das Internet dient also auch als Kurzzeitarchiv für TV-Formate, aus dem sich die Nutzer unabhängig von Sendezeiten bedienen.27

Das Europäische Parlament baut mit seiner Informationspolitik ganz auf diese Entwicklung: Im Herbst 2008 startete das Web-Fernsehen des Europäischen Parlaments gleich mit vier Kanälen. Auf der Website von „Europarl TV“ können Internetnutzer über einen Live-Stream die Ple...

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