1. Grundlegendes
1.1 Faszination Devisenmarkt
Der Devisenmarkt ist zweifellos einer der vollkommensten und liquidesten Märkte der Welt; gerade das macht ihn so spannend. Hier spielen dank Computertechnik Zeit und Raum kaum eine Rolle. Während selbst die großen Aktienbörsen weltweit immer noch einen nationalen Charakter besitzen, ist der Devisenmarkt ein echter internationaler Markt.
Es gibt keinen Börsenschluss und keine Eröffnung. Die Devisenhändler geben sich über alle Zeitzonen weltweit sozusagen die Klinke in die Hand und sorgen für einen ununterbrochenen Handel, 24 Stunden lang, rund um die Uhr. Ob man am Nordkap sitzt oder auf Neuseeland, spielt dabei keine Rolle.
Die besondere Faszination des Devisenmarktes rührt aber darüber hinaus sicher von der Vielzahl an Einflussgrößen her, denen die Devisenkurse ausgesetzt sind: Zinsen, Inflationsentwicklung, politische Ereignisse, volkswirtschaftliche Wachstumsraten, geldpolitische Entscheidungen, Entwicklungen an den Aktien– und Rentenmärkten – all dies findet seinen Niederschlag in der Preisbildung auf dem Devisenmarkt.
Viele Trader interessieren sich aber für solche „fundamentalen“ Einflüsse wenig und handeln nur unter charttechnischen Gesichtspunkten – auch dies ist möglich. Für die Charttechniker sind alle Informationen, die sie brauchen, aus den Kursen selbst herauszulesen.
Letztlich erlaubt der Devisenmarkt durch seine Vielseitigkeit eine Unmenge von Handelsstrategien. Jeder Trader oder Anleger muss dabei seinen eigenen Weg finden. Dieses Buch möchte dafür das Rüstzeug geben. Im Folgenden sollen jedoch erst einmal einige grundlegende Dinge geklärt werden.
Abb. 1.1: Der Wechselkurs zwischen Euro und US–Dollar (EUR/USD) 2004
Der Wechselkurs zwischen Euro und US–Dollar wird üblicherweise in der Schreibweise EUR/USD dargestellt. Dabei wird der Preis des Euros in US–Dollar angegeben. Das heißt: Ein Euro kostete demnach Ende Dezember 2004 etwa 1,3550 US–Dollar. Im Chart ist die Kursentwicklung im Verlauf des Jahres 2004 dargestellt.
1.2 Wechselkurse, Devisen, Währungen, Sorten
Der Preis aller Güter in einer modernen Volkswirtschaft ist gegenüber der jeweiligen Währung, in Deutschland dem Euro, festgelegt. Man spricht daher von einer Geldwirtschaft. Geld besitzt dabei die Rechenfunktion, um Güterpreise vergleichbar zu machen.
Will man allerdings die Inlandswährung, also zum Beispiel den Euro, gegenüber den Währungen anderer Länder vergleichbar machen, um den Preis von ausländischen Gütern in inländischer Währung auszudrücken, dann benötigt man den Wechselkurs. Das heißt: Der Preis einer Währung in einer fremden Währung wird Wechselkurs genannt.
Ausländische Währungen bezeichnet man dabei als Devisen, weshalb der Markt, auf dem ausländische Währungen gehandelt werden, Devisenmarkt genannt wird. Der Preis auf dem Devisenmarkt ist damit der Wechselkurs. Dabei muss natürlich beachtet werden, dass es nicht nur eine Auslandswährung gibt, sich der Devisenmarkt also in viele Währungspaare unterteilt.
Mit Sorten schließlich bezeichnet man die Bestände an ausländischem Bargeld, während zu den Devisen auch Fremdwährungsguthaben sowie Geldmarktanlagen im Ausland zählen. Die Bestände an Sorten, über die ein Land verfügt, sind also ein Teil seiner Devisenbestände.
Die Art und Weise der Kursnotierung an den Devisenmärkten sorgt allerdings immer wieder für Verwirrung: So hat sich zum Beispiel für den Euro die so genannte Mengennotierung durchgesetzt, anstelle der früher zum Beispiel für die D–Mark gebräuchlichen Preisnotierung.
Bei der Mengennotierung dient die Inlandswährung (das heißt der Euro) als feste Bezugsgröße. Beim Wechselkurs Euro/US–Dollar gilt daher der Euro als so genannte „Base Currency“, während der US–Dollar in diesem Fall die „Secondary Currency“ ist. Die Base Currency ist es auch, die jeweils gekauft oder verkauft wird.
Im Folgenden werden übrigens die offiziellen Abkürzungen für die Währungen, die so genannten ISO–Codes, verwendet, also USD für US–Dollar, EUR für Euro usw. (siehe Anhang 10.1 „Referenzkurse im Devisenhandel“).
Beispiel:
Liegt der Wechselkurs EUR/USD bei 1,3200 US–Dollar, dann heißt dies, dass man für einen Euro 1,3200 US–Dollar erhält. Steigt nun der EUR/USD–Wechselkurs von 1,3200 auf 1,3400 US–Dollar, so bedeutet dies eine Aufwertung des Euros und gleichzeitig eine Abwertung des US–Dollars, denn: Eine Aufwertung der einen Währung ist bei einem Wechselkurs immer gleichbedeutend mit einer Abwertung der anderen Währung.
Es muss allerdings gesagt werden, dass eine solche Schreibweise mathematisch nicht korrekt ist, da die Referenzgröße – hier der Euro – eigentlich im Nenner stehen müsste.
Üblich ist die Kursangabe bis auf die vierte Nachkommastelle, allerdings gibt es auch Wechselkurse wie den des Yens, der nur bis auf die zweite Nachkommastelle angegeben wird. Die letzte Dezimalstelle wird üblicherweise als „Punkt“ oder „Pip“ bezeichnet. Steigt der Wechselkurs des Euros zum US–Dollar zum Beispiel von 1,2000 auf 1,2050 USD, dann bedeutet dies eine Zunahme um 50 Punkte oder 50 Pips.
Darauf wird im Kapitel 6 noch genauer eingegangen.
Seit den fünfziger Jahren war es im professionellen Devisenhandel zwischen Banken üblich, die verschiedenen Lokalwährungen durch die Bezeichnung des Preises von einem US–Dollar in lokaler Währung anzugeben. Dies resultierte aus der Bedeutung des US–Dollars als internationaler Ankerwährung. Erst seit kurzem kratzt der Euro allmählich an dieser herausgehobenen Stellung des US–Dollars, ohne sie bislang aber wirklich gefährden zu können.
Man schätzt, dass 90 Prozent aller Währungen, die am Devisenmarkt gehandelt werden, gegenüber dem US–Dollar gehandelt werden. Die nächsten vier in der Rangliste sind Euro (EUR), Japanischer Yen (JPY), Britisches Pfund (GBP) und Schweizer Franken (CHF). Die Wechselkurse dieser vier Währungen gegenüber dem US–Dollar, also EUR/USD, USD/JPY, GBP/USD und USD/CHF, werden als „Major Pairings“ oder einfach als „Majors“ bezeichnet. Diese vier Währungspaare sind es auch, die am Devisenmarkt am meisten gehandelt werden.
Im Übrigen: Aus der historisch gewachsenen Praxis der Notierung aller Währungen gegenüber der Referenzwährung „US–Dollar“ resultiert es, die Wechselkurse zwischen anderen Währungen als „Cross–Rates“ zu bezeichnen. Das gilt zum Beispiel für Wechselkurse wie EUR/CHF, EUR/GBP, EUR/SEK oder GBP/JPY.
Gelegentlich wird allerdings der Begriff „Cross“ auch für einen Wechselkurs zwischen zwei Währungen im Allgemeinen verwendet.
REFERENZWÄHRUNG US–DOLLAR: AN 90 PROZENT ALLER TRANSAKTIONEN AUF DEM DEVISENMARKT IST DER US–DOLLAR BETEILIGT.
------ Währungspaar | Wechselkurs |
------ Den Kurs (Bid) für EUR/CHF erhält man durch folgende Rechnung:
1 EUR = wie viel CHF?
1 EUR = 1,2750 USD
1 USD = 1,2020 CHF
--------> 1 EUR = 1,2750 x 1,2020 = 1,5326 CHF
--------> Kurs EUR/CHF = 1,5326
Tab. 1.1: Berechnung einer Cross–Rate am Beispiel des EUR/CHF–Wechselkurses
1.3 Was bewegt die Kurse?
„Der Wechselkurs spiegelt die relative wirtschaftliche Stärke zweier Währungsräume wider“ – das stimmt allenfalls auf lange Sicht, kurzfristig lassen sich so keine Wechselkursbewegungen erklären. Denn: Im Prinzip gibt es nur eine Möglichkeit zur Erklärung von Devisenkursen, und das ist die des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage.
Diese beiden Kräfte entscheiden, in welche Richtung sich der jeweilige Devisenkurs bewegt. Wer also Devisenkurse prognostizieren will, der muss Vorhersagen über die Entwicklung von Angebot und Nachfrage nach den jeweiligen Währungen treffen. Dieser Hinweis – so selbstverständlich er auch klingen mag – ist deswegen so wichtig, weil vor allem fundamentale Analysten sich immer fragen müssen, ob der Theorie–Ansatz, den sie gerade verfolgen, wirklich das aktuelle Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage erklärt.
Als Beispiel mag hier der Hinweis dienen, dass die jahrelangen Handelsbilanzdefizite der USA seit Mitte der neunziger Jahre von vielen Analysten als Grund dafür angeführt wurden, dass der US–Dollar abwerten müsste. Denn: Der Importüberschuss muss ja irgendwie bezahlt werden, was dazu führt, dass das Angebot von US–Dollars an den internationalen...