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Stellen Sie sich vor, Sie sind …

Das Ein-Personen-Rollenspiel in Beratung, Coaching und Therapie

AutorRoger Schaller
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl265 Seiten
ISBN9783456955933
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Das Rollenspiel ist auch im Einzelsetting ein wirksames Instrument für die Praxis - sei es in der Therapie, in der Beratung oder im Coaching. Ausgehend von aktuellen theoretischen Ansätzen beschreibt dieses Buch die Rahmenbedingungen, Grundregeln, Instrumente und Techniken von Ein-Personen-Rollenspielen. Es wird gezeigt, wie einige zentrale Rollenspiel-Techniken des Psychodramas (z.B. Leerer Stuhl, Rollenwechsel, Spiegeln, Skulptur, Rollenhaushalt) wirksam für Diagnostik, Problemklärung, Ressourcenaktivierung, Problembewältigung, Verhaltenstraining eingesetzt werden können. Wichtig sind vor allem entscheidende Grundregeln und Anleitungen, die aus einem mittelmäßigen Rollenspiel eine nachhaltige Lernerfahrung machen. Daher wird in diesem Buch ein besonderes Gewicht auf die Rahmenbedingungen gelegt: Wie führe ich ein Rollenspiel ein? Wie wird eine Rolle übernommen? Welche Rolle spiele ich als Therapeut? Welches sind die schlimmsten Fehler? Und wie wird ein Rollenspiel in den Beratungsprozess integriert und ausgewertet? In zahlreichen Fallbeispielen werden neben dem eigentlichen Rollenspiel - bei dem eine Person körperlich eine Rolle übernimmt, - auch imaginative - «Schliessen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, Sie sind...», - und figurative Techniken - mit Figuren, Zeichnungen, Stühlen, Knöpfen etc. - vorgestellt. Die zweite Auflage wurde überarbeitet und mit diversen Aspekten ergänzt - wie mit einem Text zum Rollenspiel, der Beschreibung der Rollenübernahme oder einer Einführung in die Computerspiele als Bühne der Imagination.

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Kapitelübersicht
  1. Stellen Sie sich vor, Sie sind …
  2. Stellen Sie sich vor … – ein (fiktives) Vorwort von J..L. Moreno
  3. A Theorie
  4. .B Instrumente und Rahmenbedingungen
  5. .C Techniken
  6. .D Praxis 1: Diagnostik mit Rollenspiel
  7. .E Praxis 2: Exploratives Rollenspiel
  8. .F Praxis 3: Rituale mit Rollenspiel
  9. .G Praxis 4: Rollentraining
  10. .H Basics
  11. Literatur
  12. Der Autor / Index
Leseprobe
D Praxis 1: Diagnostik mit Rollenspiel (S. 133-134)

Selbst- und Fremdbeobachtung

In der Diagnostik geht es um das Bewerten, Einordnen und Benennen von Persönlichkeitseigenschaften und Verhalten. Das Rollenspiel eignet sich zu diagnostischen Zwecken, wenn die Informationen auf anderen Wegen unzuverlässig oder nur schwer zu erhalten wären. Die Methode Rollenspiel legt diesbezüglich den Fokus auf eine Diagnostik der sozialen Welt des Klienten. Die Rollenspiel-Diagnostik kann die Möglichkeiten der gängigen psychotherapeutischen Diagnostik erweitern. Durch das bildhafte und bildergenerierende Vorgehen kann die rein verbale Diagnostik qualitativ bereichert werden (vgl. Burmeister 2004). Nehmen wir als Beispiel einen Klienten, der von einem kürzlich erlebten Konflikt mit einem Arbeitskollegen berichtet. Er erzählt, dass er diesen korrekt begrüßt, der andere aber aggressiv reagiert habe. Das Rollenspiel gibt uns die Möglichkeit, die Begrüßungssituation zu simulieren und die Aufmerksamkeit auf einzelne Dimensionen der Begrüßung zu richten. Dazu kann beispielsweise die Skulpturtechnik eingesetzt werden:

Therapeut: «Ich möchte, dass Sie mir zeigen, wie diese schwierige Begrüßungssituation war. Angenommen, ein Künstler hat die Szene beobachtet und davon eine Skulptur gemacht … wie würde diese Skulptur aussehen? Wie stehen diese beiden Menschen da? Können Sie mir das mal zeigen? Nehmen wir an, wir sind in einem Museum, und hier steht diese Skulptur … wie sieht das aus? Können Sie mal Ihre Position einnehmen, so wie Sie damals da gestanden haben, bei dieser schwierigen Begrüßung? … Und jetzt können Sie auch noch die andere Person als Statue darstellen? …»usw.

Anders als im wahren Leben kann der Klient im Rollenspiel diese Begrüßung spielen, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Und als Diagnostiker kann ich das Rollenspiel auf jene Dimensionen lenken, die mir als zur Problemanalyse bedeutsam erscheinen. Das diagnostisches Rollenspiel ist immer gleichzeitig auch ein therapeutisches Handeln, da der Klient selber handelnd am Erkenntnisprozess teilnimmt. Es geht hier nicht um eine «objektive Sicht» der Lage des Klienten, sondern vielmehr um das Erfassen seiner Verhaltensmuster, Perspektiven und Erklärungsmodelle.

Es kann zwischen zwei Varianten der Rollenspiel-Diagnostik unterschieden werden: zwischen der Selbst- und der Fremdbeobachtung. In der Selbstbeobachtungs-Diagnostik versuchen Therapeut und Klient gemeinsam, eine Problemanalyse vorzunehmen. Dabei erhält der Klient vom Therapeuten technische Hinweise, wie er seine Lage erforschen kann. Es handelt sich demzufolge um eine Aktionsdiagnostik, bei dem der Therapeut ein «weiser» Mitspieler ist. Wir können dies mit einem Versteckspiel mit einem kleinen Kind vergleichen: Der Vater weiß oft von Anfang an, wo sich das Kind versteckt hat; aber er tut so, als ob er dies nicht wisse, sucht da und dort, ruft seinen Namen und findet schließlich das Kind. Umgekehrt ist es, wenn das Kind sucht, ein echtes Entdecken. Ähnlich verlaufen meist auch Regelspiele mit jüngeren Kindern: Wir Eltern könnten oft sehr schnell gewinnen, tun dies aber nicht, halten eine wichtige Karte zurück oder tun so, als ob wir etwas übersähen, damit die Kinder ihr Spiel entwickeln können. Genauso ist die Haltung des Rollenspiel-Diagnostikers: Er ist ein Mitspieler, der dabei gleichzeitig die Spielregeln vorgibt, die Klienten ermuntert, neue Spielzüge auszuführen, und ihnen Mut macht, die eigene Spielweise zu benennen und zu bewerten. Auf das obige Beispiel bezogen: Wir wissen als Berater, wie die Begrüßung adäquat vorzunehmen ist (über diese Feldkompetenz sollten wir in diesem Fall verfügen). Wir stellen uns aber naiv und spielen die Begrüßungsszene so mit, als wenn wir es nicht wüssten.

Die Selbstbeobachtungs-Diagnostik im Rollenspiel dient nicht nur der Beschreibung von Verhaltensdefiziten, sie kann auch zur Erklärung eingesetzt werden. Der Klient kann durch szenisches Handeln versuchen, eigene Hypothesen über die Entstehung eines inadäquaten Verhaltens zu entwickeln. Hier befinden wir uns dann an einer Schnittstelle zum explorativen Rollenspiel.

In der Fremdbeobachtungs-Diagnostik wird mit dem Rollenspiel ein künstliches Beobachtungssetting geschaffen: Es wird eine Situation aus dem möglichen Alltag des Klienten simuliert, und dieser muss zeigen, wie er sich in solchen kritischen Situationen verhalten würde (beispielsweise bei einer Begrüßung). Während des Rollenspiels erfolgt die Fremdbeobachtung des Sozialverhaltens des Klienten durch den Berater. Selbstverständlich ist hiermit immer auch eine Selbstbeobachtung des Klienten verbunden.
Inhaltsverzeichnis
Stellen Sie sich vor, Sie sind …2
Inhalt6
Vorwort zur 2.. Auflage10
Stellen Sie sich vor … – ein
12
A Theorie16
Über Wolken, Uhren und Rollenspiel16
Drei Welten des Rollenspiels21
Das Netzwerk der Spiegelneuronen27
Das «Ich» und seine Rollen32
Der Rahmen fürs Rollenspiel36
Vier Anwendungsformen des Rollenspiels44
Warum Rollen spielen?48
.B Instrumente und Rahmenbedingungen58
Szenisches Denken und Handeln58
Die Bühne60
Der Szenenaufbau67
So tun, als ob69
Rollenübernahme71
Variation der Rollenübernahme78
Umsetzung der Rollenübernahme in szenische Handlung86
Spezielle Rollenübernahme im Hier-und-jetzt-Rollenspiel87
Szenenwechsel89
Entrollen91
Auswertung von Rollenspielen92
Die Rolle der Leitung94
.C Techniken100
Aufstellung und Skulptur100
Rollenwechsel103
Regiegespräch106
Rollentausch110
Rollendialog112
Zur-Seite-Sprechen114
Comicgeschichten114
Textblasen für Denken, Fühlen und Sprechen117
Doppeln119
Spiegeln121
Arbeit mit dem leeren Stuhl122
Stuhldialog126
Mit Symbolen Gefühle darstellen126
Regietechniken: Einfrieren, Rückwärts- und Vorwärtsspulen, Zeitlupe und Stummfilm, Maximierung128
.D Praxis 1:
134
Selbst- und Fremdbeobachtung134
Diagnostik sozialer Kompetenzen136
Soziales Netzwerk-Inventar137
Rollenhaushalt140
Rollenanalyse141
Der leere Stuhl als diagnostisches Instrument143
Expertengespräche145
Der letzte Tag im Leben146
Die letzte Therapiestunde147
Figurative Anamnese147
Scenotest, Sandspiel und ADOS148
Figuratives Geschichten-Ergänzen149
Familiensystemtest150
Videodiagnostik151
Diagnostische Rollenspiele im Alltag152
.E Praxis 2:
156
Achtsamkeit und Verständigung156
Szenische Darstellung eines belastenden Erlebnisses161
Selbstbilder explorieren163
Meta-Rolle165
Innere Anteile166
Ego-States169
Das virtuelle Team171
Das Tribunal171
Zauberladen173
Die dritte Person174
Die konfrontative dritte Person175
Die dritte Person als Held176
Der Klient als Co-Therapeut178
Der Klient als Therapeut180
Der Narr, der Weise und der Gerechte182
Eine starke Rolle183
.F Praxis 3:
184
Symbole und symbolische Handlungen184
In neue Lebensabschnitte bewusst eintreten186
Verabschiedung187
Psychische Integration von neuen Rollen189
Zugehörigkeit zu Personen und Gruppen festigen190
Schuld ablegen191
Ausgleichsrituale192
Sitzungsexterne Rituale192
.G Praxis 4: Rollentraining194
Rollenkonserven194
Phasenmodell des Rollentrainings195
Vorlage für Vorbereitung und Protokoll des Rollentrainings203
Modelllernen204
Reskription von belastenden Erinnerungen209
Rollentraining in der deliktorientierten Therapie215
Symptomverschreibung217
Rollentraining mit Audio- und Video-Feedback219
Comicgeschichten220
Kapitän-Nemo-Geschichten225
Rollenspiel-Hausaufgaben226
Serious Games231
Homo ludens: Das Computerspiel233
.H Basics236
Die 10 schlimmsten Fehler236
Zusammenfassung der Rahmenbedingungen und Instrumente239
Leitlinien für den Rollenspiel-Prozess243
Wirksamkeitsnachweise fürs Rollenspiel in der Psychotherapie245
Literatur250
Der Autor / Index258
Index260

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