Vorwort
Das Buch Therapie mit Substanz von Dr. Friederike Meckel Fischer ist ein umfassender Führer zum medizinischen Gebrauch von psychedelischen Substanzen in der Therapie von psychischen und psychosomatischen Störungen. Es basiert auf mehreren Jahren der therapeutischen Arbeit mit Klienten auf diesem Gebiet, die sie ohne offizielle Genehmigung durchgeführt hat. Das Buch beschreibt in klarer und gut verständlicher Sprache alles, was für den wirksamen und sicheren Einsatz dieser Behandlungsweise sowie für die Arbeit mit außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen im Allgemeinen zu wissen notwendig ist.
Dr. Meckels Buch erscheint genau zum richtigen Zeitpunkt. Es wird professionellen Therapeuten und der breiteren Öffentlichkeit in einer Zeit vorgelegt, in der eine bemerkenswerte weltweite Renaissance des Interesses an der wissenschaftlichen Erforschung psychedelischer Substanzen zu beobachten ist. Dies ist ein unerwarteter und überraschender Wandel nach vier Jahrzehnten, in denen die legale klinische Arbeit auf diesem Gebiet von einer unüberlegten Gesetzgebung so gut wie unmöglich gemacht wurde. Die Gesetzgebung war eine Reaktion auf den massenhaften und unbeaufsichtigten Gebrauch dieser Substanzen durch die junge Generation in Amerika und Europa und auf eine internationale Hysterie, die von sensationslustigen Journalisten geschürt wurde.
Gegenwärtig wird an etlichen amerikanischen Universitäten, darunter Harvard, Johns Hopkins, University of California in Los Angeles (UCLA), State University of New York (SUNY), University of California in San Francisco (UCFS) und University of Arizona in Tucson erneut auf dem Gebiet der psychedelischen Substanzen geforscht. Von besonderem Interesse ist die von Michael und Annie Mithoefer in South Carolina eingeführte wegbereitende Forschung zur MDMA-gestützten Psychotherapie für Kriegsveteranen, die unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden.1 Wegen der enormen medizinischen, wirtschaftlichen und politischen Probleme im Zusammenhang mit dieser gefährlichen Störung, die traditionellen Therapieformen gegenüber oft resistent ist, könnte der Erfolg dieses Projekts den Psychedelika die Tür zur Mainstream-Psychiatrie öffnen. Die Phase 2 der klinischen Studien zur MDMA-gestützten Psychotherapie für PTBS wird zur Zeit in South Carolina, Colorado, Kanada und Israel durchgeführt oder geplant. Neue Forschungsprojekte unter Einbeziehung von verschiedenen Cannabinolen, Ibogain, Ketamin und anderen psychedelischen Substanzen wurden weltweit in Angriff genommen. Um die Bedeutung des Buches von Dr. Meckel würdigen zu können, ist es wichtig, den größeren historischen Kontext zu betrachten.
Die zufällige Entdeckung der psychedelischen Wirkung von LSD-25 durch den Schweizer Chemiker Albert Hofmann2 im Jahre 1943 löste eine beispiellose Welle weltweiten wissenschaftlichen Interesses an dieser Substanz aus und begründete eine neue Disziplin: die moderne Bewusstseinsforschung.3 Nie zuvor in der Geschichte der Wissenschaft war eine einzige Substanz in mehreren Fachgebieten dermaßen vielversprechend. In der Gehirnforschung führte die Entdeckung des LSD zu einem goldenen Zeitalter der Forschung, die auch Fortschritte in Hinblick auf die Lösung des Rätsels der Neurorezeptoren, der neuronalen Botenstoffe, des chemischen Antagonismus und der Rolle des Serotonins im Gehirn machte.
Psychiater betrachteten LSD als einzigartiges Hilfsmittel zur Induzierung eines Modells einer endogenen Psychose unter Laborbedingungen. Sie hofften, diese »experimentelle Psychose« werde ihnen helfen, das Rätsel der Schizophrenie zu lösen, und werde ihnen in Hinsicht auf diese größte Herausforderung ihrer Disziplin den Weg zu einer Lösung aus der Retorte weisen. Die »experimentelle Psychose«, die von winzigen Dosierungen der Substanz (von Millionstel eines Gramms oder Gammas) ausgelöst wurde, wurde auch als unkonventionelles Lehrmittel angewandt, das es Tausenden von professionellen Psychiatern ermöglichte, einige Stunden in einer Welt zu verbringen, die der ihrer Patienten glich.
Psychotherapeuten berichteten vom einzigartigen Potenzial der Substanz zur Vertiefung und Beschleunigung des therapeutischen Prozesses und zur Ausweitung der Anwendbarkeit von Psychotherapie auf Kategorien von Patienten, die zuvor sehr schwierig oder gar nicht zu erreichen waren – Alkoholiker, von harten Drogen Abhängige, sexuell deviante Menschen und Rückfällige.4 Besonders wertvoll und vielversprechend waren die Studien zur Linderung des psychischen und physischen Leidens von todkranken Patienten und zum Abbau ihrer Angst vor dem Tod.5 Kunsthistorikern eröffneten Experimente mit LSD außerordentliche neue Einsichten in die Psychologie und Psychopathologie der Kunst, insbesondere verschiedener moderner Bewegungen wie Surrealismus, Phantastischer Realismus, Kubismus und Impressionismus sowie die Malerei und die Skulpturen unterschiedlicher Stammeskulturen.6
Das Vermögen von LSD, tiefe spirituelle Erfahrungen zu induzieren, führte zu faszinierenden Einsichten in die Psychologie und Psychopathologie der Religion – in Schamanismus, Übergangsriten, die uralten Mysterien von Tod und Wiedergeburt, östliche spirituelle Philosophien sowie die großen Religionen und mystischen Traditionen der Welt, aber auch in religiöse Intoleranz, religiös motivierte Kriege und Grausamkeiten wie Kreuzzüge, Jihad, Inquisition und satanische Praktiken.7 Die Tatsache, dass Psychedelika spirituelle Erfahrungen auszulösen vermögen, führte zu hitzigen Debatten über »Instant-Mystik« oder »chemische Mystik«, die um das Problem der Authentizität solcher Erfahrungen kreisten.
Es sah ganz danach aus, als sei die LSD-Forschung auf dem Weg, all diese Versprechungen und Erwartungen zu erfüllen, bis der berühmte Harvard-Skandal um Timothy Leary, Richard Alpert und Ralph Metzner sowie die massenhaften unbeaufsichtigten Selbstversuche der jungen Generation und der Gegenkultur aus Hofmanns »Wunderkind« ein »Sorgenkind« machten. Die behördlichen und politischen Sanktionen gegen Psychedelika in den 1960er Jahren erwiesen sich nur gegenüber gesetzestreuen Wissenschaftlern als wirksam, vermochten aber bekanntlich den Straßenverkauf von psychedelischen Substanzen nicht zu unterbinden. Sie förderten einen Schwarzmarkt mit gefährlichen Produkten ungewisser Qualität und Dosierung und führten zu einer absurden Situation, in der Teenager mehr Zugang zu Informationen über das Bewusstsein und die menschliche Psyche hatten als die Psychiater und Psychologen des Mainstreams.
Im Jahre 1966 befragte Robert Kennedy, dessen Frau mit LSD behandelt worden war und der die Erfahrung gutgetan hatte, die Vertreter der Federal Drug and Food Administration (FDA) und des National Institute of Mental Health (NIMH) in seinen eigenen Unterausschuss-Anhörungen zum LSD. Er fragte sich, warum so viele Forschungsprojekte zum LSD eingestellt wurden. Er argumentierte: »Wir haben die Tatsache, dass es gefährlich sein und Individuen, die es gebrauchen, schaden kann, so sehr betont, dass wir womöglich zu einem gewissen Maße die Tatsache aus den Augen verloren haben, dass es für unsere Gesellschaft sehr, sehr hilfreich sein könnte, wenn es auf die richtige Weise angewandt wird.« Zur Verteidigung der LSD-Forschung führte er an, dass es grotesk sei, die wissenschaftliche Erforschung von psychedelischen Substanzen in einer Zeit zu unterbinden, in der diese von Millionen von Amerikanern verwendet würden. Diese Situation sollte es vielmehr erforderlich machen, so viele Informationen wie möglich über sie zu sammeln.
Die drakonische Gesetzgebung, die die ernsthafte legale Erforschung von Psychedelika für vier Jahrzehnte abtötete, basierte auf keinerlei wissenschaftlichen Belegen und ingnorierte sogar die vorhandenen klinischen Daten. So veröffentlichte zum Beispiel der psychedelische Pionier Sidney Cohen aus Los Angeles im Jahre 1960 einen Artikel mit dem Titel »Lysergic Acid Diethylamide: Side Effects and Complications«, der auf 25 000 Anwendungen von LSD-25 und Meskalin basierte. Er zeigte, dass Probleme im Zusammenhang mit Psychedelika – wie etwa Flashbacks, langanhaltende Reaktionen, psychotische Einbrüche und Selbstmordversuche – bei verantwortungsvoller Anwendung dieser Substanzen minimal waren. Sie schnitten im Vergleich zu anderen, von konventionellen Psychiatern angewendeten Methoden wie Insulin-Komas und Elektroschock-Therapie (für beide galt eine Sterblichkeitsrate von 1% als akzeptables medizinisches Risiko) sehr gut ab, insbesondere im Vergleich zu der häufig angewandten präfrontalen Lobotomie, für deren Erforschung Edgar Moniz den Nobelpreis erhielt und die dem Hirngewebe irreversiblen Schaden zufügt.8
Während der vier Jahrzehnte, in denen legale Arbeit mit Psychedelika praktisch unmöglich war, entschieden sich individuelle Therapeuten und kleine Gruppen, diese Arbeit im Untergrund weiterzuführen, da sie von deren Sicherheit und Wirksamkeit bei verantwortungsbewusstem Gebrauch überzeugt waren und ihren Klienten deren Vorteile nicht vorenthalten wollten. Ralph Metzner...