Ein Sofa mitten im Büro, ein Meetingraum, in dem man sich wie auf dem Sportplatz fühlt, Flure und Pausenräume, die gemütlicher sind als so manches heimische Wohnzimmer: Es hat sich etwas verändert in der Arbeitswelt von heute. Viele Aspekte des privaten Lebensbereiches haben Einzug in die Betriebe gefunden. Begleitet wird dies von zahlreichen betrieblichen Maßnahmen wie etwa flexiblen Arbeitszeiten, weitreichenden Angeboten zur Gesundheitsförderung und betriebsinternen Angeboten, die sich positiv auf die Work-Life-Balance der Beschäftigten auswirken sollen. Diese fürsorglichen Angebote und die auffallend freiheitliche Arbeitskultur führen jedoch nicht nur zu positiven Effekten wie einer erhöhten Motivation und einem höheren arbeitsbezogenen Wohlbefinden. Vielmehr kann man die betrieblichen Work-Life-Balance-(WLB-)Angebote auch als Ausdruck einer Erosion der Grenze von Arbeit und Privatleben betrachten. Trägt diese neue 'schöne' Arbeitswelt am Ende dazu bei, die Beschäftigten zu mehr Arbeit zu verführen? Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die auf den ersten Blick so mitarbeiterfreundlich wirkenden WLB-Maßnahmen das Potenzial haben, die Arbeitszeit der Beschäftigten unbemerkt zu verlängern und diese fest an das Unternehmen zu binden. Doch wie erleben die betroffenen Beschäftigten die zahlreichen betrieblichen Annehmlichkeiten? In der vorliegenden Studie wird die schöne neue Arbeitswelt der IT-Unternehmen in Hinblick auf das subjektive Entgrenzungserleben der Beschäftigten untersucht. Hierfür sind in zwei internationalen IT-Konzernen problemzentrierte Interviews geführt worden. Ein Vergleich der Ergebnisse mit Goffmans Konzept der totalen Institution zeigt deutliche Unterschiede. Dennoch sind auch in den untersuchten Unternehmen insofern vereinnahmende Tendenzen festzustellen, als dass die zahlreichen WLB-Angebote durch eine Motivationserhöhung und ein verstärktes Verpflichtungsgefühl zu einem größeren Arbeitseinsatz und zu längeren Arbeitszeiten zu führen scheinen.
Neele Riemann wurde 1992 in Lübeck geboren und begann 2011 das Studium der Psychologie (B.Sc.) an der Universität Hamburg, in dem sie sich auf Arbeits- und Organisationspsychologie sowie klinische Psychologie fokussierte. Daran anknüpfend nahm sie das Masterstudium der Wirtschaftspsychologie an der Universität Bremen auf und bildete sich parallel dazu am Milton Erickson Institut Hamburg in hypnosystemischer Therapie weiter. 2016 absolvierte die Autorin ein Forschungspraktikum an der Universität Melbourne und entwickelte ein tiefgehendes Interesse an der sozialpsychologischen Betrachtung von 'totalen Institutionen' und kultischen Gruppierungen. Für die vorliegende Studie übertrug sie diese Erkenntnisse auf die Arbeitswelt von heute und untersuchte die Effekte einer auf den ersten Blick paradiesisch anmutenden Arbeitsgestaltung, die zunehmend private und freizeitbezogene Elemente integriert, kritisch und unter Einbeziehung von qualitativen Interviews.
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