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Risiken und Komplikationen in der Allgemein- und Viszeralchirurgie

VerlagGeorg Thieme Verlag KG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl340 Seiten
ISBN9783132418790
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis119,99 EUR
In der Allgemein- und Viszeralchirurgie zählen Komplikationen zu den großen Herausforderungen. Nicht immer lassen sich diese vermeiden, dann gilt es, sie schnell zu erkennen und mit maximaler Kompetenz zu behandeln. Um allgemeine Fragen geht es im ersten Teil dieses Buches: Was sind Komplikationen und welche Einflussfaktoren gibt es? Handelt es sich um eine Komplikation oder einen Behandlungsfehler? Welche Tools eignen sich für ein effizientes Risikomanagement? Welche Prozeduren sind besonders häufig betroffen? Welche juristischen Aspekte sind zu beachten? Der spezielle Teil ist nach Eingriffen gegliedert. Hier geben die Autoren für alle wichtigen Indikationsbereiche der Allgemein- und Viszeralchirurgie konkrete und umsetzbare Handlungsempfehlungen. Alles mit dem Ziel einer nachhaltigen Qualitätsverbesserung in der medizinischen Versorgung und der Weiterentwicklung der eigenen beruflichen Kompetenz. Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.

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Leseprobe

1 Grundsätzliches zu Komplikationen in der Chirurgie


H. Lippert, K. Kols

Weltweit werden pro Jahr mehr als 250 Millionen Operationen durchgeführt. Die perioperative Letalität wird in westlichen Industrieländern mit 0,4–0,8% und die Komplikationsrate mit 3–17% angegeben. Dabei ist von einer nicht real erfassten Rate auszugehen; Daten hierzu existieren nur aus der Erfahrung, Kliniksberichten oder vereinzelten Studien ▶ [3].

Die Differenzierung und Graduierung von Komplikationen in der Chirurgie ist permanent in der Diskussion ▶ [2], ▶ [9]. Neben den allgemeinen postoperativen Störungen hat jede Intervention an unterschiedlichen Organen eigene Komplikationsmuster, die es zu beachten gilt.

Die Qualität einer chirurgischen Behandlung wird am Auftreten von Komplikationen und dem Umgang mit diesen Ereignissen gemessen. Jede chirurgische Komplikation ist ein unerwünschtes Ereignis, das ein Operationsergebnis meist negativ beeinflusst.

1.1 Das Ziel: Komplikationen vermeiden


Die chirurgische Therapie unterlag immer einer Risikoabwägung von Nutzen – im Sinne einer Heilung oder Linderung von Symptomen – und möglichen Komplikationen. Diese traditionelle Betrachtung hat sich verändert. Es gilt vielmehr, Komplikationen grundsätzlich zu vermeiden: durch eine bessere Risikoevaluierung und Risikominderung präoperativ, durch bessere technische Möglichkeiten intraoperativ sowie Vorbeugung und Risikoreduktion von postoperativen Ereignissen. Ein wesentlicher Anteil an der Reduktion von Komplikationen wird durch eine präzise Diagnostik und Indikationsstellung, eine Kombination von operativer und nichtoperativer Behandlung, Training der Operateure, qualifizierte Assistenz und eine regelmäßige Auswertung von Operationsergebnissen auf Komplikationskonferenzen erreicht. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit hat diesbezüglich einen wesentlichen öffentlichen Beitrag geleistet, um unerwünschte Ereignisse zu vermeiden.

Der Patient muss sich darauf verlassen können, dass seine Behandlungen und sein Krankenhausaufenthalt für ihn sicher, auf seine individuelle Situation zentriert, effektiv und effizient, zeitgerecht und ökonomisch angemessen sind.

Das heutige Krankenhaus oder die chirurgische Praxis haben eine gute Qualität und Sicherheit für den Patienten zu garantieren. Dies schließt die Struktur, den Prozessablauf und das Ergebnis ein. Dennoch können jedem Fehler passieren. Diese sind häufig auch von komplexen äußeren Bedingungen wie Weiterbildung, Erfahrung, Organisation, technischer Ausstattung (auch für die postoperative Überwachung) und der Führungsstruktur abhängig.

Es wird vorausgesetzt, dass sich der Stand der modernen Wissenschaft durch Weiterbildung, Nutzung der fachlichen Informationstechnologie, ein Austausch mit anderen Kollegen und ein Programm zur Reduktion von Fehlern etabliert hat.

Cave

Der Arzt schuldet dem Patienten die erforderliche Sorgfalt, die sich nach dem jeweiligen aktuellen Standard des Fachgebietes richtet.

Der Standard ist nicht das mittlere Können aller Ärzte, sondern das, was vom einzelnen Arzt in der speziellen Situation zu fordern ist. Hilfreich sind Leitlinien und Empfehlungen, die zwar rechtlich unverbindlich sind, aber zur Fehlervermeidung beitragen. Standard Operating Procedures (SOP) sind jeder Klinik zu empfehlen.

Die Möglichkeiten einer kontinuierlichen Weiterbildung für die Feststellung des Standes der medizinischen Wissenschaften und für eine optimale individuelle Patientenbetreuung sind vielfältig:

  • interdisziplinäre Diskussion und Konsultation mit Kollegen

  • innerklinische Weiterbildungskonferenz

  • Lesen aktueller Fachzeitschriften und Fachbücher

  • Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen

  • interdisziplinäres Tumorboard

  • interne Qualitätsmessung durch Audits

  • Fachkongresse und Workshops

  • spezielle Weiterbildungskurse

  • Zertifizierungen

  • Teilnahme an Studien

  • Simulationstraining

Jede Komplikation ist eine unangenehme Erfahrung für den Operateur und hat sicher auch einen dauernden Lernprozess zur Folge. Die Kommunikation in Konferenzen und Publikationen über Komplikationen und Fehler ist ein Weg zur Vermeidung oder Minimierung. Sie ist eine wichtige Aufarbeitung für den Operateur.

Wenn schon die vollständige Vermeidbarkeit nicht erreichbar sein wird, so ist zumindest eine deutliche Reduktion von Anzahl und Ausmaß ein wesentliches Ziel der Fehlervermeidungsstrategie. Es gibt Fehler, die niemals passieren sollten und einer ständigen Vorbeugung bedürfen:

  • falsche Indikation

  • Verwechslung von Patienten oder Eingriffsseite

  • Tod bei „kleinen Eingriffen“

  • Tod bei niedrigem Risiko nach ASA-Klassifikation (American Society of Anaesthesiologists)

  • falsche Bluttransfusion

  • falsche Infusion oder Medikamente

1.1.1 Strukturelle Einflüsse auf das Komplikationsrisiko


Es ist durchaus möglich, dass es in Kliniken bei gleicher Diagnose und gleicher chirurgischer Therapie unterschiedliche Krankheitsverläufe gibt. Dies ist von der Patientenzusammensetzung, der Qualität der Pflege und der „Klinikerfahrung“ bzw. der bisherigen Fallzahl in der Klinik („High Volume“ vs. Low Volume“) abhängig.

Eine „Null-Letalität“ über den Zeitraum von einem Jahr ist nicht allein beweisend für eine gute Qualität im chirurgischen Ergebnis. Glücklicher Verlauf und gute Gesamtqualität sind nicht immer identisch.

Kliniken, die Patienten mit höheren allgemeinen Risiken, einem hohen Alter und z.B. höheren Tumorstadien behandeln, sollten erst nach einer entsprechenden Risikoadjustierung bewertet werden. Es wird allgemein akzeptiert, dass die im Krankenhaus betreuten Fallzahlen (Hospital Volume), die Ausstattung der Intensivmedizin, die Erfahrung des Operateurs und die chirurgische Weiterbildung mit Training Faktoren für die Qualität der Betreuung sind.

Präventionsprogramme zur Vermeidung allgemeiner Komplikationen wie Beatmungspneumonie und Hospitalinfektionen sowie die Etablierung von Patientensicherheitsindikatoren und eine permanente Sensibilisierung des Personals in Bezug auf Komplikations- und Fehlervorbeugung sind Bestandteil der täglichen Arbeit.

1.2 Die Einschätzung des perioperativen Risikos


1.2.1 Faktoren, die das Komplikationsrisiko erhöhen


Risikofaktoren begünstigen Komplikationen bzw. erschweren die Behandlung. Risikofaktoren gehen von Patienten, Ärzten und Angehörigen aber auch von Strukturen und organisatorischen Abläufen aus ( ▶ Tab. 1.1). So ist die Krankenhausinfektion (nosokomiale Infektion) ein permanentes Risiko, das sowohl durch das Personal, als auch durch die hygienische Ausstattung und den Patienten verstärkt werden kann. Der Arzt ist dann ein Risikofaktor, wenn er das Sorgfaltsniveau nicht einhält, seine eigenen Grenzen nicht erkennt oder seine individuelle Qualifikation vernachlässigt. Der Patient ist dann ein Risikofaktor, wenn er Anordnungen und Empfehlungen nicht einhält bzw. schwerwiegende Begleiterkrankungen oder Probleme wie Alkohol- und Drogenabusus aufweist oder raucht.

Tab. 1.1 Einflussfaktoren auf die Ergebnisqualität und die Komplikationsrate (modifiziert nach ▶ [3]).

Bereich

Einflussfaktoren

Umwelt- und regionale Faktoren

Krankenhaussystem

häusliche Verhältnisse

Wohnort: städtisch oder ländlich

postoperative Versorgung und Betreuung

persönliche Verhältnisse

Sozialstatus

Rauchen, Alkohol- und Drogenabusus

psychologische Situation

berufliche Situation

genetisch bedingte Probleme

...
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