ADEL
Ihm verdanken wir die Etikette. Weil Aristokraten am Hof König Ludwigs XIV. achtlos durch die Blumen und Grünflächen von Versailles trampelten (so geht die Geschichte), sah man sich gezwungen, sie davon fernzuhalten. Dies gelang nur, indem kleine étiquettes – Täfelchen → – mit der Aufschrift »Bitte nicht betreten« aufgestellt wurden. Dass sich die Etikette unserer Zeit nicht auf »Rasen betreten verboten« beschränkt, erkennen Sie am Volumen dieses Buches.
Die heute mitten unter uns im Leben stehende Generation der »Blaublütler« ist bereits die vierte und fünfte Generation nach der Zerschlagung ihrer fest gefügten Weltordnung, bei der der »Stand« nicht mehr zwingend das Programm des Lebens vorgibt. Was war geschehen? Seit mit Kaiser Karl I. die Habsburgermonarchie zu Grabe getragen und in Österreich (zunächst Deutsch-Österreich) die Republik ausgerufen wurde, ist seit 1919 das Tragen der Adelstitel bei uns verboten. Das regelt das sogenannte Adelsaufhebungsgesetz (komplett: Gesetz über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden).
In der Anschrift sowie der Anrede einer Person, von der Sie wissen, dass sie dem Adel angehörte, ist es jedoch erlaubt und Ihnen überlassen, ob Sie die Adelstitulatur anwenden. Besonders bei der Vorstellung von Adeligen im republikanischen österreichischen Umfeld ist Ihr Feingefühl gefragt und auf die Empfindungen aller Anwesenden Rücksicht zu nehmen.
Das ändert natürlich wenig an dem angeborenen Statusgefühl der Betroffenen. Von frühester Jugend sind die Mitglieder des Adels darauf trainiert, Wortführer und Beispielgeber der Erhaltung der kulturellen und natürlichen Werte zu sein. Die traditionsreichen Großfamilien geben ihnen die nötige Sicherheit des unbestrittenen »Seins« vor bemühtem bloßen »Scheinen«.
Standesdünkel gilt heute als überholt. Es geht um die Bewahrung von Werten, die für diesen »verborgenen Stand« signifikant sind. So verlor der Adel zwar das Recht, seine Titel zu tragen, doch nicht seine bemerkenswerte gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung. In Österreich sind wir hauptsächlich durch Bauten, Parks und Ortsbezeichnungen mit den Namen Habsburg, Auersperg, Kinsky, Liechtenstein oder Schwarzenberg konfrontiert, oft vergessend, dass dahinter große Dynastien stecken, deren Familien heute in eleganter Anonymität unter uns leben. Nach wie vor liegt die Erhaltung und Bewahrung von kulturellen und natürlichen Werten diesem Stand besonders am Herzen. Denken Sie nur an die vielen Betriebe, Landwirtschaften, Waldbesitzungen, Schlösser und Paläste (in Österreich gerne als Palais bezeichnet). Die meisten Angehörigen dieses Standes messen ganz bestimmten Werten große Bedeutung bei. Hierzu zählen nicht nur Geschichtsbewusstsein oder die Beherrschung routinierter Umgangsformen, die von klein auf traditionsbewusst, meist in tiefem christlichem Glauben verankert, gepflegt werden.
Unsere österreichische Situation soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass in einigen Staaten eine funktionierende Monarchie und die damit untrennbar verbundene Aristokratie zu finden sind. Wer eventuell Vertretern des Hochadels, beispielsweise aus Belgien, den Niederlanden, Spanien, Großbritannien oder Japan begegnen könnte, wird sich gerne der Liste der Anreden bedienen, die wir für Sie zusammengestellt haben.
Bedenken Sie, dass akademische Titel vor dem Adelstitel geschrieben werden (z. B. Dr. Evi Gräfin Vorberg-Wald …).
In der Schweiz finden Sie Adelstitel nicht als Bestandteil des Familiennamens. Hingegen wird die Partikel »von« als Namensteil auch im Zivilstandsregister geführt, da sie nicht unbedingt auf eine adelige Zugehörigkeit weist, sondern auch auf eine örtliche Herkunft verweisen kann.
TIPP
In Deutschland ist der adelige Titel zum Bestandteil des Namens geworden. Ich würde aber zum Beispiel nicht »Frau Fürstin« oder »Herr Fürst von Thurn und Taxis« sagen, sondern »Durchlaucht« oder »Fürstin / Fürst« (ohne Frau oder Herr, da diese Anrede dem Personal vorbehalten war).
Sprechen Sie den Inhaber vererbter Titel korrekt an. Es tut ja nicht weh und erspart Ihnen die Peinlichkeit, lange zu überlegen, was Sie sagen sollen.
Position | Korrekte Anrede / Correct addressing | Vorgestellt als Presented as |
Kaiser / Kaiserin und König / Königin | Eure Majestät, Königin von England | Ihre Majestät, die Königin von England oder der König von … |
King or Queen | Your Majesty, in der Folge nur noch »Ma’am« (ausgespr. Mam) | Her Majesty, The Queen of England, or His Majesty, The King of … |
Großherzog / Großherzogin, Erzherzog / Erzherzogin & Prinz / Prinzessin / | Königliche Hoheit (H.) | Seine / Ihre Königliche Hoheit |
Royal Prince | Your Royal Highness, in der Folge »Sir« oder »Ma’am« | His / Her Royal Highness |
Herzog / Herzogin, Fürst / Fürstin & Prinz / Prinzessin | Hoheit (H.), Durchlaucht (D.) | Seine / Ihre Hoheit, Prinz … Seine / Ihre Durchlaucht, Herzog … |
Duke / Duchess | Your Royal Highness, Your Serene Highness | His / Her Royal Highness … His / Her Serene Highness |
Graf, Markgraf / Gräfin, Markgräfin | Hochgeboren (Hg.), Erlaucht (E.) | Graf / Gräfin … |
Earl / Countess | Lord / Lady | Lord / Lady … |
Baron / Baronin (Freiherr / Freifrau) / Baron / Baroness | Hochwohlgeboren (Hwg.) | Baron / Baronin … oder Herr / Frau von … |
Lord / Lady | Lord / Lady | Lord / Lady |
Sonstige Angehörige des Adels: | Herr / Frau von … | Herr / Frau von … |
Sonstige Angehörige des Adels: | Sir + Vorname / Lady + Vorname | Sir + Vorname / Lady + Vorname |
ADELSANSCHRIFT
Wie schon erwähnt, ist es erlaubt, eine adelige Person mit ihrem Adelstitel anzusprechen oder anzuschreiben. Wir haben hier einige Abkürzungen und Titulaturen in Deutsch und Englisch zusammengestellt.
Im Schriftverkehr werden folgende deutsche Abkürzungen der Anredetitel verwendet:
E. | Erlaucht, Eminenz, Exzellenz |
I. | Ihre (weibliche Form Singular) |
k. u. k. | kaiserlich & königlich |
S. | Seine (männliche Form Singular) |
Abkürzungen im Englischen: