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E-Book

Flüchtlingskrise - die Rettung des Pflegenotstands in Deutschland?

AutorJulia Schönfeld
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl94 Seiten
ISBN9783752896381
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Die deutsche Bevölkerung wird immer älter und die Anzahl der auf Pflege angewiesenen Menschen nimmt somit kontinuierlich zu. Jedoch kann die Versorgung der Pflegebedürftigen bald nicht mehr sichergestellt werden, da geschultes Pflegepersonal fehlt und kaum noch jemand einen Pflegeberuf ergreifen möchte. Der Pflegenotstand ist in Deutschland schon jetzt Realität und wird sich laut Prognosen noch weiter dramatisieren. Gleichzeitig strömen immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland, von denen die meisten dauerhaft bleiben werden. Das bedeutet, diesen Menschen muss der Anschluss an die deutsche Gesellschaft ermöglicht werden, dazu gehört auch die Integration in den Arbeitsmarkt. Angesichts des Fachkräftemangels sehen einige Politiker in den zahlreichen Asylbewerbern die Chance für die Pflegebranche. Zwei aktuelle Probleme - der Pflegenotstand und die Flüchtlingskrise - könnten gleichzeitig die beiderseitige Lösung sein, indem Asyl suchende Menschen in Pflegeberufe integriert werden. Es stellt sich die Frage wie realistisch dieses Vorhaben ist, denn die Integration von Flüchtlingen in das Pflegesystem ist in vielerlei Hinsicht kompliziert.

Gesundheits- und Krankenpflegerin und Diplom-Pflegewirtin (FH). Abschluss im Fach Pflegemanagement im Jahr 2017 an der Hamburger Fernhochschule

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Leseprobe

1 Integration von Flüchtlingen in den Pflegeberuf



Die deutsche Bevölkerung wird immer älter und die Anzahl der auf Pflege angewiesenen Menschen nimmt somit kontinuierlich zu. Jedoch kann die Versorgung der Pflegebedürftigen bald nicht mehr sichergestellt werden, da geschultes Pflegepersonal fehlt und nicht genügend Menschen einen Pflegeberuf ergreifen möchten. Der Pflegenotstand ist in Deutschland schon jetzt Realität und wird sich laut Prognosen noch weiter dramatisieren. Immer mehr Einrichtungen versuchen ihren Personalbedarf zu decken, indem sie Pflegefachkräfte aus dem Ausland rekrutieren, was allerdings vor allem in Ländern außerhalb der EU negative Auswirkungen auf die Entwicklung haben kann, da auch ihnen letztlich medizinisches Personal fehlt.

Gleichzeitig strömen immer mehr schutzsuchende Menschen nach Deutschland, von denen die meisten dauerhaft bleiben wollen und ihnen somit der Anschluss an die deutsche Gesellschaft ermöglicht werden muss, dazu gehört auch die Integration in den Arbeitsmarkt. Dies bedeutet, dass Menschen nach Deutschland kommen, die zu Fachkräften ausgebildet werden können oder bereits einen Ausbildungsabschluss mitbringen. Es können somit statt einer bürokratischen, teuren und zeitraubenden Rekrutierung die Potenziale der ohnehin einwandernden Menschen genutzt werden, schließlich ist Integration in den Arbeitsmarkt eine der wichtigsten Maßnahmen, um Menschen in die Gesellschaft einzubinden. Angesichts des Fachkräftemangels sehen einige Politiker und Experten in den zahlreichen Asylbewerbern die große Chance für die Pflegebranche.

Zwei aktuelle Probleme - der Pflegenotstand und die Flüchtlingskrise - könnten gleichzeitig die beiderseitige Lösung sein, indem schutzsuchende Menschen in Pflegeberufe integriert werden. Allerdings stehen viele dieser Idee skeptisch gegenüber und kritisieren diesen Ansatz. 


1.1 Befürwortende und kritische Meinungen in der Bevölkerung  


Betrachtet man die Meinungen der Politiker und Experten, scheinen sie den Ansturm der Schutzsuchenden durchweg als große Chance für den enormen Fachkräftemangel in Deutschland zu sehen. Vor allem die Pflegebranche könne mit diesen zusätzlichen Arbeitskräften gerettet werden. Dementsprechend äußerte sich der Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum Einsatz von geflüchteten Menschen in der Alten- und Krankenpflege bei einem Interview wie folgt: "In Mangelberufen ist Zuwanderung auch eine Chance. ... Hier ergeben sich Chancen für anerkannte Flüchtlinge. Wichtig ist, dass sie die Sprache ausreichend beherrschen und keine Abstriche bei der Qualifikation gemacht werden" (Bröcker, Kessler 2016). Einerseits sei es eine gute Möglichkeit, um sich beruflich zu integrieren und andererseits könne man so den Personalmangel in der Branche ausgleichen. Dieser Meinung ist auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Karl Lauterbach. Er will Geflüchtete für den Pflegeberuf begeistern: "Die Flüchtlinge fehlen uns in der Pflege, wir brauchen sie dort" (Hamberger 2016).

Die Pflegewissenschaftlerin Fr. Dr. Angelika Zegelin äußerte bei einem Interview: "Flüchtlinge sind eine Riesenchance für Deutschland, das gilt auch für die Pflege. Menschen aus anderen Kulturen können neue Impulse in die Pflege bringen" (Paffenholz 2016). Laut Fr. Dr. Zegelin lohne sich die Mühe, da diese Menschen oft hoch motiviert und lernbereit seien.

Ein weiterer Befürworter dieses Vorhabens ist der Minister für Soziales und Integration in Baden-Württemberg, Manne Lucha (Bündnis 90/Die Grünen). Er fordert, dass Asylbewerber, die eine Ausbildung im Pflegebereich - sei es die einjährige Helferausbildung oder die dreijährige Ausbildung in der Alten- oder Krankenpflege - absolvieren oder absolviert haben, nicht abgeschoben werden dürfen, wenn sie in der Branche weiterarbeiten (Vgl. SWR 2017).

Potenzial in den Schutzsuchenden sieht auch Helmut Walter Rüeck (CDU), der Vorsitzende der Enquetekommission Pflege des Landtags von Baden-Württemberg. Er empfiehlt Pflegeeinrichtungen direkt in Asylunterkünften für eine Pflegeausbildung zu werben um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken. Schließlich finde Pflege auch in den Herkunftsländern der Geflüchteten statt (Vgl. Fromm 2015).

Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele hofft darauf, vor allem möglichst viele Migrantinnen für den Einsatz in der Altenpflege gewinnen zu können. Auch er ist der Meinung: „Allein aus der einheimischen Bevölkerung ist der Bedarf an Pflegekräften nicht zu decken“ (Menkens 2016). Laut Scheele sei der Wille zu arbeiten bei jeder dritten bislang nicht erwerbstätigen Mutter ausländischer Herkunft da.

Reint Gropp, Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ist der Meinung: "Die Flüchtlinge sind ein Glücksfall. ... Die demographische Entwicklung führe ohne Migration spätestens in 15 Jahren dazu, dass über mehrere Jahre hinweg jedes Jahr netto 300 000 Menschen aus dem Arbeitsleben ausscheiden, mit riesigen Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und die sozialen Systeme" (Höhne 2016).

Michael Sudahl, ein Autor der Internetseite "die-pflegebibel.de", befürwortet auch die Idee der Flüchtlingsintegration in die Pflegebranche, "denn sie können helfen, kurzfristig Personallöcher zu stopfen". Jedoch kritisiert er das fatale Signal, das die Gesellschaft erreicht: "Billige Arbeitskräfte versorgen die Alten unter uns ...", denn der politische Aktionismus löse wohl kaum die Probleme in der Pflege (Sudahl 2017).

Die Auswirkungen der politischen Aussagen sind tatsächlich bedenklich, denn liest man sich die Kommentare zu den Internetartikeln durch oder verfolgt Diskussionen in Internetforen zu diesem Thema, so bekommen die Befürworter enormen Gegenwind. Es sind hauptsächlich negative Anmerkungen unter den Artikeln, da bei den meisten Lesern das Signal "Pflege kann jeder" anzukommen scheint. Hier einige Leserkommentare zum Internetartikel "Keiner will sich mehr um Schwache kümmern: Jetzt sollen Flüchtlinge Pfleger werden" (Focus 2016):

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei den meisten Forenkommentatoren das Vorhaben, schutzsuchende Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen, auf Unverständnis und Empörung stößt. Sie kritisieren die politischen Aussagen enorm, da sie den Eindruck erwecken, der Personalnotstand solle möglichst "billig" gelöst werden, anstatt die Rahmenbedingungen des Pflegeberufs zu verbessern und den Berufszweig somit attraktiver zu machen. Vor allem Pflegekräfte scheinen sich vor den Kopf gestoßen zu fühlen, da derartige Aussagen die Wertschätzung des ohnehin schon gesellschaftlich schlecht angesehenen Berufs noch weiter reduziere. Die Integration Schutzsuchender in die Pflege wird mit den in der Vergangenheit liegenden Absichten verglichen, als mit diversen Mitteln versucht wurde, Personallücken in der Pflegebranche zu schließen. Dabei wird beispielsweise auf das Jahr 2007 hingewiesen, in dem Prostituierten eine Umschulung zu Altenpflegerinnen angeboten wurde, um ihnen den Ausstieg aus ihrer Branche zu ermöglichen, schließlich sei der Altenpflegeberuf der nächste logische Schritt, da er nicht weit vom bezahltem Sex entfernt sei (Vgl. Welt 2007). Weiterhin werden erwähnt: das im Jahr 2008 erfolgte Vorhaben, als arbeitslose Bergarbeiter in den Pflegeberuf einsteigen sollten, sowie die politische Forderung im Jahr 2012, woraufhin die Agentur für Arbeit Umschulungen für die gekündigten Verkäuferinnen des Drogeriemarktes Schlecker angeboten hat, um sie zu Pflegekräften auszubilden (Vgl. Louis 2008; Groll 2012). 

Es werden enorme Sprachbarrieren befürchtet, sei es bei der Kommunikation und Informationsweitergabe zwischen den Mitarbeitern oder auch zwischen Pflegekräften und Pflegebedürftigen. Jeder weiß wie wichtig Kommunikation in diesem Beruf ist. Durch den ständigen Schichtwechsel müssen Informationen exakt und zuverlässig an die Folgeschicht weitergegeben werden. Genauso müssen die Sorgen und Nöte der Pflegebedürftigen verstanden werden, um ihnen beistehen zu können. Hier bestehen Ängste vieler Menschen, dass sie oder ihre Angehörigen nicht verstanden oder gar durch mangelndes Sprachverständnis falsch behandelt werden.

Ein weiteres Problem in den Augen der Menschen scheint die Religion der Schutzsuchenden zu sein. Es sind viele Muslime unter ihnen, die sich im Leben an diverse Regeln und Gebote halten sollen. Eines der Gebote besagt, dass Schweine unrein und daher nicht zum Verzehr geeignet sind. Viele sind der Meinung, dass Muslime daher auch den Pflegebedürftigen kein Schweinefleisch servieren oder reichen dürfen. Auch die pflegerische Versorgung der Pflegebedürftigen äußern die Menschen als problematisch. Schließlich sei es Muslimen verboten einen Menschen des anderen Geschlechts nackt zu sehen oder gar zu waschen.

Außerdem gelte der Pflegeberuf nach wie vor als Frauenberuf, der Großteil der Asylbewerber ist aber männlich, daher wird die Wahrscheinlichkeit, Interessenten für eine Pflegeausbildung zu finden, als sehr gering eingeschätzt.

Ein großer Diskussionspunkt ist die Bildung der Schutzsuchenden. Einige sind der Auffassung, dass die meisten Geflüchteten ungebildete Analphabeten seien, die in ihrem Land weder eine schulische noch eine berufliche Ausbildung genossen hätten und sie diese auch in Deutschland nicht absolvieren können bzw. wollen. Ihrer Ansicht nach, verlassen sich die Schutzsuchenden auf Deutschland als Sozialstaat, in dem jedem ein Leben ohne Arbeit ermöglicht wird.

Auch wird die Kriminalität unter den Schutzsuchenden besonders hoch eingeschätzt. Das Vorlegen eines polizeilichen Führungszeugnisses ist bei Interesse an einer Pflegeausbildung zumeist Pflicht,...

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