Schwangerschaft – was geht das den Arbeitgeber an?
Schwangerschaft ist keine Krankheit. In aller Regel können schwangere Frauen ganz normal weiterarbeiten. Doch eine Babypause steht an, unter Umständen wird die Arbeit mit der Zeit zu beschwerlich. Ab wann soll oder muss man den Arbeit-geber über das freudige Ereignis informieren? Wie verhält es sich bei der Stellensuche und was gilt während der Probezeit?
Grundsätzlich ist Ihre Familienplanung wie auch eine bereits bestehende Schwangerschaft Ihre Privatsache. Sie entscheiden selbst, wann Sie dem Arbeitgeber die frohe Botschaft übermitteln. Es gibt keine Verpflichtung, die Vorgesetzten umgehend in Kenntnis zu setzen. Allerdings lässt sich der wachsende Bauch mit der Zeit nicht mehr verbergen. Vielleicht brauchen Sie auch einmal etwas Schonung oder möchten besprechen, wie es nach dem Mutterschaftsurlaub weitergehen soll. In diesem Kapitel erfahren Sie, was aus rechtlicher Sicht zum richtigen Informationszeitpunkt zu sagen ist.
Was gilt bei der Stellensuche?
Junge Frauen, die eine neue Stelle suchen, kennen das Problem: Sie werden von potenziellen Arbeitgebern misstrauisch beäugt und müssen sich womöglich – meist «durch die Blume» – Fragen nach ihrer Familienplanung gefallen lassen. Mancher Personalchef überlegt es sich gar zweimal, ob er Bewerberinnen im gebärfähigen Alter, vielleicht sogar frisch verheiratet, überhaupt in Betracht ziehen soll.
Wollen Sie eine Familie?
Doch wie sieht es rechtlich aus? Dürfen Fragen nach Heiratsabsichten und Kinderwunsch überhaupt gestellt werden? Muss man in Vorstellungsgesprächen auf eine bestehende Schwangerschaft hinweisen?
Die Regel ist einfach: Als Stellenbewerberin müssen Sie alle Angaben liefern, die nötig sind, um Ihre Eignung für die ausgeschriebene Stelle abzuklären. Was für die zu besetzende Stelle nicht relevant ist, geht den Arbeitgeber nichts an. Zu weit gehen daher Fragen, die sich auf Heiratsabsichten, die familiäre Situation oder eine allfällige Schwangerschaft beziehen. Sie sind nur erlaubt, wenn sie für die Anstellung objektiv von Belang sind. Nach einer Schwangerschaft darf also nur gefragt werden, wenn die Arbeit für ein ungeborenes Kind gefährlich ist oder wenn die Tätigkeit während der Schwangerschaft gar nicht ausgeführt werden kann (Tänzerin oder Umgang mit gefährlichen Chemikalien, Strahlenbelastung, Aushalten von Erschütterungen etc.).
Notlüge erlaubt
Und wenn der Arbeitgeber trotzdem fragt? Nach Meinung vieler Juristen ist in solchen Fällen eine Notlüge erlaubt. Das Arbeitsgericht Zürich hat entschieden, dass die bei einem Bewerbungsgespräch gestellte Frage, ob die zukünftige Angestellte schwanger sei, grundsätzlich unzulässig ist. «Beantwortet die Bewerberin die Frage unwahr, kann der darauf geschlossene Vertrag nicht wegen absichtlicher Täuschung angefochten werden.» (Entscheid vom 5.9.2002)
Diskriminierung im Bewerbungsverfahren
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die sich um eine Stelle bewerben, haben keinerlei Anspruch darauf, tatsächlich angestellt zu werden. Grundsätzlich steht es dem Arbeitgeber frei zu entscheiden, mit wem er zusammenarbeiten will. Dabei können auch unsachliche Motive eine Rolle spielen. Wird eine Bewerberin aber nur deshalb nicht berücksichtigt, weil sie verheiratet ist (Doppelverdienerin!), bald schwanger werden könnte, es bereits ist oder weil sie Familienpflichten hat (Letzteres gilt auch für Väter), ist dies ein Verstoss gegen das Gleichstellungsgesetz. Bei einer Anstellungsdiskriminierung kann innert dreier Monate eine Entschädigung in Höhe von maximal drei Monatslöhnen eingeklagt werden (mehr zum Verfahren lesen Sie auf Seite 33).
Schwierige Beweislage
Für die meisten Fälle von Diskriminierung sieht das Gleichstellungsgesetz eine sogenannte Beweislasterleichterung vor. Das heisst, Betroffene müssen die Diskriminierung nicht hieb- und stichfest beweisen, sondern nur glaubhaft machen (siehe Seite 34). Doch gerade für die Anstellungsdiskriminierung gilt dies nicht. In der Praxis ist es daher schwierig, eine diskriminierende Nichtanstellung nachzuweisen, ausser der Arbeitgeber «verrät» sich selbst, wie im folgenden Beispiel aus der Beobachter-Beratungspraxis:
EINE JOURNALISTIN BEWARB SICH um eine Redaktionsstelle, wurde beim Vorstellungsgespräch nach ihrer Familienplanung gefragt und antwortete, sie sei offen für Kinder. Darauf erhielt sie eine schriftliche Absage unter anderem mit der Begründung, der Verlag lege Wert auf ein langfristiges Arbeitsverhältnis. Die Frau machte Anstellungsdiskriminierung geltend, was der Verlag zurückwies. Schliesslich habe er für die Stelle eine andere Frau be-rücksichtigt. Vor der kantonalen Schlichtungsstelle kam es schliesslich zum Vergleich. Der Verlag zahlte der Frau einen Monatslohn als Entschädigung.
Weitere Beispiele diskriminierender Nichtanstellung wegen möglicher oder bestehender Schwangerschaft finden Sie in der auf Seite 32 erwähnten Entscheidsammlung unter www.gleichstellungsgesetz.ch. Etwa den Fall einer Frau, die ihren neuen Arbeitgeber einen Monat vor Stellenantritt über ihre Schwangerschaft informierte:
DIE FRAU HATTE EINEN ARBEITSVERTRAG für ein 100-Prozent-Pensum als Mitarbeiterin in einer Alarmzentrale unterschrieben. Vereinbart war Schicht- bzw. Nachtarbeit. Nachdem sie dem Bereichsleiter ihre Schwangerschaft mitgeteilt hatte, erklärte die Arbeitgeberin den Rücktritt vom Vertrag. Eine Schwangere sei für die vorgesehene Tätigkeit nicht geeignet. Die Schlichtungsbehörde hielt eine Diskriminierung für gegeben. Aufgrund des Arbeitsvertrags und der arbeitsgesetzlichen Vorschriften sei anzunehmen, dass die Gesuchstellerin die vorgesehene Tätigkeit (maximal neun Stunden pro Nachteinsatz) bis zwei Monate vor der Niederkunft hätte verrichten können, zumal es sich um eine hauptsächlich sitzende, körperlich wenig anstrengende Tätigkeit handelte. Die Parteien einigten sich auf eine Entschädigung von drei Monatslöhnen (Zürcher Schlichtungsbehörde nach Gleichstellungsgesetz, Verfahren 20/2016).
Mitunter kommt es auch vor, dass Mütter eine Stelle nicht bekommen, weil ihre Kinder noch klein sind.
EINE DIREKTIONSASSISTENTIN BEWARB SICH um eine Vollzeitstelle und erhielt zunächst eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Doch das Gespräch wurde kurzfristig abgesagt mit der Begründung, als Mutter sei sie nicht geeignet. In der schriftlichen Bestätigung stand: «Der Job bringt eine unregelmässige Arbeitszeit, die wohl kompensiert, Ihrem Kind jedoch aus sozialen Gründen aus unserer Sicht nicht zugemutet werden kann.» Da in der Schlichtungsverhandlung keine Einigung möglich war, landete der Fall vor Gericht. Der Arbeitnehmerin wurden zwei Monatslöhne sowie eine Parteientschädigung zugesprochen (Obergericht Solothurn, 31.8.1999).
INFO Das Diskriminierungsverbot von Artikel 3 des Gleichstellungsgesetzes gilt nicht bei einer blossen Stellenausschreibung. Erst wenn Sie sich auf das Inserat bewerben und man Sie wegen Ihres Geschlechts oder Ihrer Betreuungspflichten ablehnt, können Sie sich auf das Gleichstellungsgesetz berufen. Lassen Sie sich beraten, wenn Sie glauben, im Bewerbungsverfahren diskriminiert worden zu sein.
Schwanger während der Probezeit
Wenn Sie in einem bestehenden Arbeitsverhältnis schwanger werden, geniessen Sie ab sofort einen Kündigungsschutz (siehe Seite 60). Dies gilt allerdings noch nicht während der Probezeit (siehe Kasten). Falls Sie also Ihren Arbeitgeber während der Probezeit informieren, dass Sie schwanger sind, ist eine Kündigung grundsätzlich noch möglich, wenn er mit Ihrer Leistung nicht zufrieden ist. Ist jedoch einzig die Schwangerschaft Grund für die Kündigung, wäre diese eine Diskriminierung im Sinne des Gleichstellungsgesetzes (siehe Seite 143).
Auch hierzu finden sich auf der Website www.gleichstellungsgesetz.ch zahlreiche Beispiele, etwa dieses:
DIE MITARBEITERIN EINER ARZTPRAXIS informierte ihren Chef noch während der Probezeit über ihre Schwangerschaft. Wenige Tage später erhielt sie die Kündigung. Mündlich hiess es, man könne niemanden gebrauchen, der wegen Schwangerschaft in der Hochsaison ausfalle. Schriftlich wurde die Kündigung mit wirtschaftlichen Problemen begründet. Ungefähr einen Monat nach der Kündigung wurde jedoch für die gleiche Position ein männlicher Mitarbeiter angestellt. Die Schlichtungsbehörde erachtete es daher als glaubhaft, dass die Kündigung aufgrund der Schwangerschaft erfolgt war. Die Parteien einigten sich auf eine Entschädi gung von drei Monatslöhnen sowie eine Schadenersatzzahlung von 10 000 Franken (Zürcher Schlichtungsbehörde nach Gleichstellungsgesetz, Verfahren 20/2015).