2 Typische Emittenten von Anleihen
»Knowledge makes a man unfit to be a slave.«
Frederick Douglass (1817–1895), US-amerikanischer Vorkämpfer der Sklavenbefreiung und Schriftsteller
Als Emittenten von Anleihen treten verschiedene Institutionen auf, die nach ihrer Finanzkraft und ihrer Bonität unterschieden werden können. Grob gesprochen kann zwischen Unternehmensanleihen, Anleihen von Banken und Anleihen des Staates bzw. öffentlicher Gebietskörperschaften des In- und Auslandes unterschieden werden.
2.1 High-Grade- und High-Yield-Unternehmensanleihen – Erste Wahl und Ramsch
High-Grade-Unternehmensanleihen sind Anleihen mit einem Rating, das besser ist als BBB-. Dieses Rating nennt man Investment-Grade-Rating. Bei ihnen handelt es sich also um Unternehmen mit guter bis sehr guter Kreditwürdigkeit und äußerst geringem Insolvenz- oder Default-Risiko.
Anleihen von Emittenten unterhalb des Investment-Grade-Ratings werden als High-Yield-Bonds, Low-Grade-Bonds oder etwas despektierlich Junk Bonds (auf Deutsch also wörtlich Schrottanleihen) bzw. Ramschanleihen bezeichnet. Der Begriff Junk Bonds stammt aus den 1970er-Jahren und geht auf Unternehmensanleihen zurück, deren Bonität sich so weit verschlechterte, dass sie ihren Investment-Grade-Status verloren. Es sind also ausgesprochene Risikopapiere.
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Als das erste Unternehmen, das Junk Bonds emittierte, gilt Texas International Incorporated, ein Öl- und Gasförderer, der im April 1977 Anleihen mit einem Nominalzins von 11,5 Prozent emittierte.
Innerhalb des High-Yield-Marktes wird zwischen Quality-Junk und Real-Junk unterschieden. Erstere weisen ein Rating von BB oder B, letztere von CCC oder schlechter auf. Daneben kann zwischen »Fallen Angels« und »Born Junk Bonds« unterschieden werden: Fallen Angels sind Anleihen, deren Bonität sich während der Anleihelaufzeit von Investment Grade auf Speculative Grade verschlechtert hat. Sie sind also im wahrsten Sinne abgestürzte Engel. Hier hat der Investor zwar ursprünglich in ein gutes Anleiherisiko investiert, dieses hat sich jedoch im Lauf der Zeit sukzessive verschlechtert, bis es den Investment-Grade-Status verloren hat und in den Speculative Grade abgerutscht ist. Bei Born Junk Bonds hingegen entscheidet sich der Anleger bewusst für das höhere Anlagerisiko. Er erwirbt Papiere, denen er von Anbeginn keine Höhenflüge zugetraut hat. Er erwartet jedoch, dass der Emittent wirtschaftlich gesundet oder sich zumindest nicht weiter verschlechtert. Streng genommen kann diese Asset-Klasse nochmals unterteilt werden, und zwar in Anleihen von Emittenten mit niedrigem Rating, die definitionsgemäß nur Anleihen mit geringer Bonität begeben können. Auf der anderen Seite gibt es Anleihen von Emittenten mit gutem Rating, die sich jedoch bewusst entscheiden, eine Anleihe niedriger Bonität zu begeben, etwa weil sie angesichts des hohen Kapitalbedarfs keine weiteren bonitätsstarken Anleihen mehr begeben können, sondern typischerweise nachrangige, mezzanine Anleihen emittieren.
Mezzanine-Kapital
oder Mezzanine-Finanzierungen (vom italienischen mezzo = halb) ist der Sammelbegriff für Finanzierungsarten, die in ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgestaltung eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital sind (siehe auch Kap. 7.1)
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Der typische Fall nachrangiger Anleihen ist die Finanzierung einer fremdfinanzierten Übernahme, eines sogenannten Leveraged Buyouts über nachrangige Anleihen. Die Übernahme eines Unternehmens, beispielsweise durch das eigene Management, soll durch die Aufnahme einer üblichen, besicherten Bankdarlehenstranche von 70 Prozent finanziert werden. Der Eigenkapitalanteil liegt meist bei 10 Prozent. Da für die verbleibende Finanzierungslücke keine Sicherheiten mehr zur Verfügung stehen, wird wie mit einem nachrangigen Darlehen gefüllt. Im Fall der Insolvenz des Unternehmens, das übernommen werden soll, werden die Ansprüche der Mezzanine-Geber erst nach den Banken befriedigt. Aus der Reihenfolge besicherte Bankdarlehen – unbesichertes Mezzanine-Eigenkapital wird deutlich, dass die Mezzanine-Geber rangmäßig zwischen Fremd- und Eigenkapitalgebern rangieren und für dieses höhere Risiko eine höhere Verzinsung fordern.
Nach einer Laufzeit von meist vier oder fünf Jahren sehen die Anleihebedingungen von High-Yield-Bonds häufig einen Call des Emittenten vor, also das Recht, die Anleihe zu bestimmten Rückzahlungsterminen und zu vorher festgelegten Rückzahlungspreisen zu kündigen. Ebenfalls bestehen häufig Sonderkündigungsrechte, wenn der Emittent zum Beispiel nach einem Börsengang seine Eigenkapitalbasis gestärkt hat (Equity Clawback).
Auch wenn die meisten der jüngst emittierten High-Yield-Bonds nicht länger nachrangig und oftmals sogar besichert sind, weisen sie durch ihre höhere Ausfallwahrscheinlichkeit gegenüber High-Grade-Anleihen ein grundsätzlich höheres Risiko auf, unabhängig davon, ob es sich um Fallen Angels handelt oder um Born Junk Bonds. In der Vergangenheit hatten High-Yield-Emittenten denn auch regelmäßig finanzielle Probleme, die häufig in die Insolvenz mündeten.
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Im Mai 2001 emittierte WorldCom die größte High-Yield-Anleihe der US-amerikanischen Kapitalmarktgeschichte im Volumen von 11,9 Mrd. US-Dollar. Nur 13 Monate später musste das Unternehmen Konkurs anmelden.
Der High-Yield-Markt wird von institutionellen, vorwiegend angelsächsisch geprägten Investoren dominiert. Das ist angesichts eines Mindestzeichnungsvolumens von 50.000 oder 100.000 Euro keine Überraschung. Gerade bei den großvolumigen High-Yield-Emissionen handelt es sich daher meist um Privatplatzierungen, also nicht-öffentliche Angebote, die Privatanleger gar nicht erst zeichnen können. Wie High-Grade-Bonds werden auch High-Yield-Bonds daher überwiegend unmittelbar zwischen den professionellen Marktteilnehmern, also »Over the Counter« gehandelt.
2.2 Mittelstandsanleihen: Anleihen der kleinen und mittleren Unternehmen
In Deutschland war es mittelständischen Unternehmen lange Zeit nicht möglich, Anleihen am Kapitalmarkt zu platzieren. Zu stark war die Verflechtung der Unternehmen mit den kreditgewährenden Banken – ganz im Gegensatz zum US-amerikanischen Kapitalmarkt, wo Wachstumsunternehmen neben besseren Voraussetzungen der Beteiligungsfinanzierung schon seit Jahrzehnten den Anleihemarkt nutzen, um die gewünschten Fremdfinanzierungsmittel zu erhalten. Inzwischen zeigt sich jedoch, dass deutsche Kreditinstitute nach und nach ihre überragende Bedeutung als Hauptquelle der langfristigen Fremdfinanzierung verlieren. Gerade die in den nächsten Jahren zunehmend strengeren Kreditvergabevorschriften der Aufsichtsbehörden für Banken (Basel III) werden dazu führen, dass die Kreditvergabepolitik der Banken restriktiver und teuer wird und Bankkredite für mittelständische Unternehmen an Attraktivität und Flexibilität verlieren. In diesem Umfeld werden mittelständische Unternehmen nachgerade gezwungen, Fremdmittel über den Kapitalmarkt aufzunehmen.
Um hierfür die Grundlagen zu bilden, wurde im Mai 2010 durch die Börse Stuttgart mit bondm ein für die Begebung von Anleihen mittelständischer Unternehmen spezialisiertes Marktsegment eingerichtet. In den Monaten danach haben auch die Frankfurter Wertpapierbörse (Prime bzw. Entry Standard für Anleihen), die Börsen Düsseldorf (der mittelstandsmarkt), München (m:access bonds) und Hamburg-Hannover (Mittelstandsbörse Deutschland) spezifische Primär- und Sekundärmarktplattformen für die Einbeziehung von Anleihen mittelständischer Unternehmen in den Börsenhandel geschaffen.
Aufgrund ihres im Vergleich zu Benchmark-Anleihen geringen Emissionsvolumens zwischen 10 Mio. und 150 Mio. Euro sowie der mittelständischen Struktur der Emittenten tauchen Mittelstandsanleihen üblicherweise nicht auf den Radarschirmen institutioneller Investoren auf. Die primären Adressaten von Mittelstandsanleihen sind vielmehr Privatinvestoren, Vermögensverwalter und auch Family Offices.
Family Office
ist der Ausdruck für Organisationsformen und Dienstleistungen, die sich mit der Verwaltung privater Großvermögen befassen.
Dies dokumentiert sich auch in den geringen Nennbeträgen der Teilschuldverschreibungen, die von den Börsen auf höchstens 1.000 Euro festgelegt wurden, und in einer schlanken Dokumentation. Als Retail-Anleihe (Retail-Investoren sind Privatanleger oder Vermögensverwalter, die Anleihen kaufen, um sie an Privatanleger weiterzureichen), die mit einem öffentlichen Angebot verbunden ist, ist für die Platzierung ein Wertpapierprospekt nach Wertpapierprospektgesetz WpPG unumgänglich (siehe Kap. 6.2). Dieser wird von den meisten Börsen im Übrigen auch als Voraussetzung für die Einbeziehung der Anleihe in den Handel an einem der Qualitätssegmente für Mittelstandsanleihen gefordert.
Neben dem Prospekt ist die Einschätzung der Unternehmensbonität durch eine unabhängige, EU-registrierte Ratingagentur ein weiteres Kernstück der Emission einer Mittelstandsanleihe. Man sollte glauben, dass sich hierfür die drei US-amerikanischen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch Ratings mit ihren jahrzehntelangen Erfahrungen von zumeist global tätigen Unternehmen und Staaten entsprechend positionieren konnten. Weit gefehlt: Durchsetzen konnten sich...