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Game-based-learning zwischen Spiel und Ernst

AutorUlrich Wechselberger
Verlagkopaed
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl358 Seiten
ISBN9783867367813
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Können digitale Lernspiele eine Brücke zwischen Spaß und dem institutionalisierten Lernen schlagen? Die ausgefeilten Unterhaltungsmechanismen und durchdachten didaktischen Arrangements in Computerspielen sprechen dafür. Dagegen sprechen die Unwirklichkeit von Spielwelten und die Gefahr, das intrinsisch motivierte Spiel durch seine Instrumentalisierung zu verderben.
Dieses Buch untersucht das Spannungsfeld, in dem sich Game-based Learning bewegt: hier das autotelische, auf Fantasie beruhende Spiel, dort der zweckorientierte, realitätstreue Ernst der institutionalisierten Bildung. Es widmet sich den geisteswissenschaftlichen Theorien des Spiels, passiert entwicklungs- sowie lerntheoretische Stationen und behandelt sowohl Modelle der Unterhaltungsforschung als auch der handlungstheoretischen Soziologie. Auf dieser Basis fragt das Buch nach dem Einfluss des sozialen Kontexts auf das Potenzial von Game-based Learning: Macht ein und dasselbe Lernspiel im Unterricht mehr Spaß, wenn es als unverbindliches Spiel anstatt als ernstzunehmende Lernsoftware deklariert wird? Und sinkt gleichzeitig mit eben dieser Etikettierung die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler, die Inhalte des Mediums auf die Wirklichkeit zu übertragen? Das Buch schildert, wie ein Experiment mit 14- bis 15-jährigen Realschülerinnen und Realschülern dieser Frage empirisch auf den Grund ging und trägt die Ergebnisse sowie Folgen der Studie für die medienpädagogische Forschung vor.

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Leseprobe
Kapitel 4 Computerspielen als soziales Handeln (S. 127-128)

Die aus der Theorie abgeleiteten Vermutungen des vorherigen Kapitels lauten: Bei Lernspielen sind sowohl Konstrukt- als auch Handlungs- und Rahmungsdimension zu berücksichtigen. Das Play steuert motivierende Unterhaltungsmechanismen bei, reduziert aber mittels seines Wesens ebenso wie die Symbolik des Game die wahrgenommene Authentizität des Spiels. Die hier fokussierten Informations- und Motivationspotenziale stehen somit komplementär zueinander. Dreh- und Angelpunkt dieses Verhältnisses ist der subjektive Handlungssinn, der wiederum nicht ohne den sozialen Kontext untersucht werden sollte. Dieses Kapitel geht detailliert auf die Genese dieses Handlungssinns, die Ausrichtung des Handelns und den Einfluss des sozialen Umfelds sein. Das Kapitel hat drei Funktionen: Es soll die in der Literatur meist voneinander isolierten theoretischen, bis hierhin geschilderten Positionen in ein schlüssiges Rahmenmodell integrieren. Es soll die Ausführungen aus den vorherigen Kapiteln theoretisch ergänzen und die Lücken zwischen diesen füllen. Es soll die Überführung der meist abstrakten bisherigen Ausführungen in eine exemplarische empirische Untersuchung vorbereiten. Der nun folgende Teil der Arbeit untersucht die subjektive Konstitution des Handlungssinns (Spiel vs. Ernst) unter Berücksichtigung des sozialen Kontexts und die Auswirkungen dieses Prozesses auf die Interpretation medial vermittelter Bedeutung und das Vergnügen. Dieser Vorgang berührt drei Aspekte:

1. subjektive Interpretationsprozesse einschließlich ihrer psychosozialen Einflussfaktoren,
2. objektive Sachverhalte und Strukturen (den situativen Kontext und das Spielmedium) sowie
3. die daran anschließende Reaktion des Individuums.

Gemeinsam mit den weiter oben genannten Funktionen dieses Kapitels stellen sich damit folgende Anforderungen an den theoretischen Rahmen, anhand dessen die Untersuchung erfolgen soll: Die bisherigen Ausführungen müssen sich schlüssig in ihn integrieren lassen. Er muss das Zusammenspiel objektiver und subjektiver Strukturen modellieren. Und er sollte einen Beitrag zur Operationalisierung der modellierten Strukturen leisten. Einen theoretischen Rahmen, der diese Anforderungen erfüllt, bietet das Modell der soziologischen Erklärung von Hartmut Esser (1999, 2000a,b,c,d, 2001, 2002). Erst werden die Hintergründe und Grundzüge des Modells kurz dargestellt. Die darauffolgenden Abschnitte erläutern detailliert die beiden für diese Abhandlung wesentlichen Bestandteile von Essers Arbeit. Abschließend werden Essers Modell und die theoretischen Positionen der vorherigen Kapitel miteinander verknüpft.

4.1 Grundlagen

4.1.1 Ziel

Essers Ziel ist, historische Wirklichkeiten sozialer Prozesse und Gesellschaften nicht bloß zu beschreiben, sondern sinnverstehend zu erklären (Esser 2001, S. 531–534, 2002, S. IX–XIX). Eine solche Erklärung schließt deduktiv aus allgemeinen Gesetzen und den sozialen Randbedingungen logisch auf das zu erklärende20 Phänomen, sie ordnet etwas bis dato Unbekanntes in etwas im Prinzip Bekanntes ein (Esser 1999, S. 42–43). Esser versucht, zentrale Konzepte der erklärenden Gesellschaftswissenschaften (insbes. Soziologie, Sozialpsychologie und Ökonomie) zu einem einzigen Grundmodell der soziologischen Erklärung zusammenzufügen. Er strebt nach einer Soziologie für alle Spezialfragen, Perspektiven, Gesellschaften und Epochen. Die Unterschiede zwischen diesen werden in den verschiedenen Randbedingungen berücksichtigt, nicht aber im allgemeinen, erklärenden Grundgerüst. Esser weiß und nimmt in Kauf, dass er klassische soziologische Grenzen zwischen den verwendeten Theorien und Paradigmen übertritt. Er verpflichtet sich keinem einzelnen Paradigma (auch nicht, wie ihm vorgeworfen wird, dem Rational-choice-Ansatz), er möchte vielmehr zu einer Einheit der Soziologie beitragen, in der soziologische Paradigmen und Sozialpsychologie integriert werden. Dieser Integrationsanspruch führt dazu, dass Essers Modell auch auf die Themenstellung der vorliegenden Arbeit anwendbar ist.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort10
Spielen und Spiele16
Spiel – ein mehrdeutiger Begriff16
Handlungs- und Rahmungsdimension18
Spielen vs. Ernst und Arbeit18
Merkmale des Spielens21
Konstruktdimension29
Eigenschaften von Spielen31
Spielkern und Spielhülle34
Spiele und Kultur40
Besonderheiten digitaler Spiele42
Zusammenfassung43
Lernen und Vergnügen im Spiel44
Einflüsse auf Lernprozesse44
Spielen und Lernen44
Lernen mit Computerspielen51
Exkurs: Wider die Spaßpädagogik?71
Spielvergnügen73
Abwechslung und Erholung74
Aktivierungszirkel nach Heckhausen74
Flow76
Funktionslust und Selbstwirksamkeit79
Spielregeln79
Reizquellen bei Spielkonstrukten81
Computerspielspaß84
Differenzierung der Unterhaltungsmechanismen92
Zusammenfassung98
Digitale Lernspiele102
Begriffliche Abgrenzung102
Systematik digitaler Lernspiele103
Spielmerkmale der Konstruktdimension105
Didaktische Funktion109
Lernziel112
Themengebiet115
Fazit116
Game-based Learning – pro und kontra117
Ein alter Diskurs117
Gegenwärtige Diskussion119
Einwände gegen Game-based Learning123
Zusammenfassung134
Zwischenfazit und erweiterte Fragestellung135
Eingrenzungen und Erweiterungen137
Computerspielen als soziales Handeln142
Grundlagen143
Ziel143
Hintergrund144
Das Grundmodell in Kurzform144
Formale Anforderungen149
Theoretische Wurzeln152
Situationslogik166
Wissen und Werte167
Opportunitäten und Restriktionen169
Institutionen169
Kulturelle Bezugsrahmen und Symbole172
Soziale Produktionsfunktionen173
Zusammenfassung175
Selektionslogik176
Kausale Erklärung des Handelns177
Heuristik der Entscheidungsfindung187
Vorgeschichte der Situation189
Kognition190
Orientierung191
Exkurs: Handlungstheorie vs. Tätigkeitstheorie208
Integration212
Symbolischer Interaktionismus213
Phänomenologie nach Alfred Schütz217
Ethnomethodologie219
Wissen und Werte222
Opportunitäten und Restriktionen223
Institutionen und soziale Produktionsfunktionen224
Kulturelle Bezugsrahmen und Symbole229
Selektionslogik239
Zusammenfassung248
Fazit250
Empirische Untersuchung256
Problemstellung und Hypothesen256
Methodik257
Operationalisierung der Variablen257
Zielpopulation und Stichproben268
Kontrolle der Störvariablen270
Ablauf der Untersuchung272
Datenanalyse279
Stichprobenbeschreibung281
Rezeption282
Ergebnisse282
Diskussion285
Unterhaltung292
Ergebnisse292
Diskussion295
Benennung des Lernspiels302
Gesamtdiskussion306
Zusammenfassung306
Implikationen310
Rahmenmodell310
Methodik325
Grenzen dieser Untersuchung327
Fazit331
Ausblick332
Literaturverzeichnis336
Sonstige Quellen350
Spieleverzeichnis352
Abbildungsverzeichnis354
Tabellenverzeichnis356
Anhang zur empirischen Studie358

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