3 Qualitätsmanagement: Zur Professionalität von Supervision und Coaching19
3.1 Supervision und Coaching – was ist das?
Supervision ist eine Beratungsform, kein methodisches Verfahren. Sie ist eine Beratungsform, die definiert ist durch ihren Gegenstand, nicht durch die Methoden, derer sie sich bedient (Weigand 1987).
Inwieweit unterscheidet sich der Gegenstand der Supervision von anderen Beratungsformen? Gegenstand der Supervision ist berufliche oder ihr gleichkommende (etwa ehrenamtliche) Tätigkeit, deren Besonderheiten noch bestimmt werden sollen.
- Ihr Gegenstand ist nicht der Mensch, nicht die Person, die sich ihr unterzieht, mit ihren Charaktereigenschaften, ihrer Psychogenese, ihren Traumata und seelischen Störungen, ihrem Verhalten oder ihren Beziehungen. Es ist die Arbeit, die diese Person verrichtet.
- Gegenstand der Supervision ist auch nicht ein Team oder eine Gruppe in ihrer Gruppen- oder Interaktionsdynamik oder gar in ihren persönlichen Beziehungen bzw. in ihrer Vernetzung mit anderen Teams oder auch in ihrer organisatorischen Einbettung. Das gilt sogar dann, wenn es sich um ein Team handelt, das sich der Supervision unterzieht. Auch dann ist ihr Gegenstand die Arbeit, die dieses Team verrichtet, oder seine ganz spezifische Arbeitsfähigkeit.
- Gegenstand der Supervision ist ebenso wenig die Organisation oder eine Organisationseinheit, auch wenn es sich etwa um eine solche handelt, die sich in Supervision befindet, sondern wiederum die in ihr verrichtete oder zu verrichtende Arbeit.
Dass es in der Supervision um die Arbeit geht, heißt aber gerade nicht, dass weder der Mensch noch das Team noch die Organisation eine Rolle spielen – ganz im Gegenteil. Schließlich wird jede supervisionsfähige Arbeit von einem oder von mehreren Menschen verrichtet. Deren menschliche Besonderheiten spielen für das Gelingen oder Nichtgelingen der Arbeit eine Rolle. Insofern muss man sich zum Zweck des besseren Verständnisses des Gegenstandes der Supervision, also der vorgelegten Arbeit, auch mit den Menschen und mit ihren seelischen Besonderheiten befassen. Und da die Lebens- und Arbeitsfähigkeit der Menschen eine unvermeidliche Bedingung gelingender Arbeit darstellt, muss ihr auch ausreichend Aufmerksamkeit in der Supervision gewidmet werden. Dies aber immer nur in Relation zur vorgelegten Arbeitssituation, zum supervidierten Fall und seiner Besonderheit – nicht darüber hinaus.
Man sollte also Kenntnisse darüber haben, wie sich die Arbeit auf die Person auswirkt, ebenso wie über den Einfluss, den persönliche Besonderheiten auf die Arbeit haben können. Natürlich kann das auch bedeuten, dass man sich mit emotionellen Prozessen, mit unbewussten Reaktionstendenzen, mit Fragen der Identität und den Anforderungen der sich verändernden Arbeit an sie, mit Ängsten vor Veränderung der verschiedensten Art und ähnlichem befassen muss.
Alle supervisionsfähige Arbeit findet in beruflicher Interaktion zwischen zwei oder mehreren Personen bzw. in Gruppen und Teams statt, gerade der Interaktionsaspekt und seine noch zu beschreibenden Besonderheiten machen Arbeit supervisionsfähig. Insofern muss man sich mit menschlicher Interaktion und mit Gruppenprozessen auch in der Supervision befassen. Dies aber nur soweit, als es zum besseren Verständnis der vorgelegten Arbeitssituation oder -problematik dient. Nicht darüber hinaus, sonst betreibt man vielleicht unter dem Titel der Supervision Gruppendynamik, Teambuilding oder ähnliches. Man sollte also über die Eigenständigkeit und Eigendynamik von menschlicher Interaktion und ihrem Einfluss auf die Arbeit, wie auch umgekehrt, über die Auswirkung, welche die der Arbeit innewohnende Dynamik auf die Interaktion hat, ausreichend Bescheid wissen bzw. unter diesem Aspekt über gruppendynamische Kenntnisse verfügen. Natürlich kann das auch bedeuten, dass man sich mit unbewussten emotionellen Gruppenkonstellationen befassen muss, mit Interaktionsmustern usw. – wozu sich psychoanalytisches Instrumentarium, Gruppendynamik und vor allem systemisches Know-how besonders gut eignen.20
Fast alle der professionellen Supervision vorgelegte Arbeit findet in Organisationen statt, ohne die die Professionalisierung der Supervision, wie schon erwähnt, undenkbar ist. Sowohl hat die supervisionsfähige Arbeit immer schon ungeplante Auswirkungen auf die Organisationen gehabt, in denen sie stattfand, als auch umgekehrt die Organisationen heute mit ihren unberechenbaren Bewegungen ungeplante Auswirkungen auf die Arbeit haben und damit Auswirkungen, die auch die beruflichen Interaktionen und die ganze Person in erheblichem Ausmaß beeinflussen können. Insofern ist ein angemessenes Verständnis der in der Supervision vorgelegten Arbeit ohne ausreichende Organisationskenntnisse nicht möglich. Wie vorhin gilt auch hier, dass das aber nur entlang des vorgelegten Falles und nur soweit von Bedeutung in der Supervision ist, als es zum besseren Verständnis des Falles dient. Man sollte also ausreichend Kenntnisse über die Organisation als eigenständiges funktionales, nicht personenbezogenes soziales System, über deren Prozesse und Strukturen, über das Verhältnis Person – Interaktion – Organisation besitzen (Buchinger 1998a). Natürlich kann das auch bedeuten, dass man sich mit der Auswirkung von Veränderungsprozessen in der Organisation, mit Fragen der Steuerung und Führung, der Delegation, der internen Vernetzung, der Auswirkung der relevanten Umwelten auf die organisationsinternen Prozesse usw. befassen muss – wozu sich die Kenntnisse der systemischen Organisationsberatung besonders gut eignen (Scala & Großmann 1997).
Definition und Gegenstand
„Supervision ist eine Beratungsform, kein methodisches Verfahren. In der Supervision bzw. im Coaching steht die berufliche Tätigkeit des Klienten im Zentrum. Diese Tätigkeit wird durch Unterstützung des Supervisors bzw. Coachs einer Reflexion zugeführt. Dabei werden folgende Aspekte besonders berücksichtigt:
- Die Funktion und Dynamik von Arbeitsbeziehungen,
- die Situation der beteiligten Personen,
- die Dynamik der Organisation,
- die Eigendynamik der beruflichen Aufgabe bzw. des Produktes oder der Dienstleistung der Organisation, in der die berufliche Tätigkeit ausgeübt wird.
Die Reflexion dient primär der Sicherstellung, Ausweitung und Optimierung der erfolgreichen Bewältigung der beruflichen Aufgabe des Klienten. Um dies längerfristig zu garantieren, muss ein bestimmtes Maß an Arbeitszufriedenheit bzw. Wohlbefinden in der Arbeit vorhanden sein. Damit dient Supervision bzw. Coaching der berufstätigen Person, der Effizienz der Aufgabenerfüllung und der Organisation“ (Buchinger 1998).
3.2 Gibt es Unterschiede zwischen Supervision und Coaching?
Coaching und Supervision ist nach unserem Verständnis eine unterschiedliche Bezeichnung derselben Sache. Wir verwenden die Begriffe daher synonym. Dies hängt – wie bereits dargestellt – mit der Entstehungsgeschichte von Supervision zusammen:
Supervision ist als professionelle Beratungsform im Sozialwesen, also im Bereich der helfenden Berufe entwickelt worden. Sozialarbeit stellt in unserer Kultur einen helfenden Beruf dar, dessen Prestige gegenüber den anderen (akademischen helfenden Berufen wie Psychotherapie oder Medizin) eher gering ist. Einige Jahrzehnte nach Entstehung der Supervision zeigte sich in der Wirtschaft der gleiche Reflexions- und Beratungsbedarf wie in der Sozialarbeit.21 Daher ist es naheliegend, sich zur Abdeckung dieses Bedarfs in der Wirtschaft der bereits in wichtigen Grundzügen entwickelten Beratungsform zu bedienen. Supervision könnte die erforderlichen professionellen Dienstleistungen dort ebenso erbringen wie in ihrem Ursprungsgebiet. Aber sie stößt in manchen Bereichen, insbesondere in der Wirtschaft, auf Kulturen, an die sie mehr wegen ihres Images als wegen ihrer Leistungsfähigkeit und ihrer fachlichen Grenzen nur schwer anschlussfähig ist. Supervision haftet das Image der helfenden Berufe an, das in der Wirtschaft Abwehr hervorruft. Weder will man dort helfen, noch hilfsbedürftig sein. Insofern erschien es angebracht, die Supervision von dem Image ihrer Herkunft zu befreien.
Führungskräfte in der Wirtschaft verstehen sich – zu Recht – nicht als Angehörige eines helfenden Berufs; auch gehört es nicht zu ihrem professionellen Selbstverständnis, in der Ausübung ihrer Tätigkeit Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen – und sei es bloß Reflexionshilfe. Sie sehen sich eher als ewig junge, kreative, dynamische, im kämpferischen Wettbewerb gestählte Hochleistungssportler. Wenn diese Manager/innen überhaupt etwas brauchen können, so sind es Tipps für die weitere Steigerung ihrer sportlichen Höchstleistungen. (Man sehe sich in diesem Zusammenhang die Titel verschiedener Managementbestseller an: „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“, „Wir sind die Champions“, „Die heimlichen Gewinner“ usw.) Erweist sich daher auch in ihrem Tätigkeitsbereich (aufgrund der Veränderungen, denen er unterliegt) eine Reflexionshilfe als sinnvoll, so kann man sie schlecht unter einer Bezeichnung einführen und verkaufen, die in mehrfacher Hinsicht so etwas wie Hilfsbedürftigkeit suggeriert. Dieser (selbsternannten?) Leistungselite kann man bestenfalls nahe treten, wenn man beim Bild des Hochleistungssportlers bleibt und Begleitung für noch höhere Höchstleistungen anbietet. Es gilt die ohnehin vorhandene...