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E-Book

Methoden der Bildgebung in der Psychologie und den kognitiven Neurowissenschaften

AutorLutz Jäncke
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl236 Seiten
ISBN9783170295360
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Seit Anfang der 1990er-Jahre haben sich die technischen Möglichkeiten enorm verbessert, das menschliche Gehirn zu untersuchen und dessen Strukturen und Aktivitäten zu messen. Heute gehören die verschiedenen Formen der Bildgebung u.a. Positronen-Emmissions-Tomographie, Magnetresonanztomographie, Magnetenzephalographie, Transkranielle Magnetstimulation zu den grundlegenden Methoden der Neurowissenschaften, insbesondere der Neuropsychologie, der Klinischen Psychologie, der Neurologie, der Neurobiologie und der Psychiatrie. Die mit den neuen Methoden verbundenen faszinierenden technischen Entwicklungen haben nicht nur zu einer neuen Wissenschaft, nämlich der kognitiven Neurowissenschaft, geführt, sondern auch neuen theoretischen Konzepten des menschlichen Verhaltens und Denkens zum Durchbruch verholfen. Dieses Lehrbuch führt Studierende und Lehrende behutsam in die komplexen Verfahren ein und gibt Psychologen, Neurologen und Psychiatern in Praxis sowie in Aus, Fort- und Weiterbildung darüber hinaus anwendungsorientierte Hilfestellungen und Anregungen.

Professor Dr. Lutz Jäncke hat den Lehrstuhl für Neuropsychologie am Psychologischen Institut der Universität Zürich.

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Leseprobe

3 Die Magnetresonanztomographie


Wenn man von der Magnetresonanztomographie des Gehirns spricht, muss man zunächst zwei verschiedene Messansätze unterscheiden: die strukturelle Magnetresonanztomographie und die funktionelle Magnetresonanztomographie. Im Rahmen der strukturellen Magnetresonanztomographie werden bestimmte Hirnstrukturen sichtbar gemacht, so dass anatomische Analysen (In-vivo-Morphometrie) möglich sind. Bei der funktionellen Magnetresonanztomographie werden bestimmte neurophysiologische Veränderungen in bestimmten Hirnregionen mehr oder weniger präzise gemessen. Wir werden diese beiden Ansätze in getrennten Kapiteln näher beschreiben. Grundsätzlich basieren beide Messansätze auf dem gleichen physikalischen Prinzip, nämlich dem Kernspin. Bevor wir mit den physikalischen Erläuterungen beginnen, sollen noch einige terminologische Besonderheiten geklärt werden. Es hat sich mittlerweile in der internationalen und nationalen Literatur etabliert, vom Magnetic Resonance Imaging (MRI) und vom functional Magnetic Resonance Imaging (fMRI) zu sprechen. Ich werde aus Gründen der Konsistenz auch in diesem deutschen Text die dem Englischen entlehnten Abkürzungen verwenden.

3.1 Kernspin und Magnetisierung8


Grundlage des MRIs, das in den meisten kognitionswissenschaftlichen Studien verwendet wird, ist der „Kernspin“ des Wasserstoffatoms (1H). Der Kernspin ist eine Grundeigenschaft von Elementarteilchen und ist eigentlich nichts anderes als ein Drall bzw. eine Drehung (engl. to spin = sich drehen). Um diesen Spin zu verstehen, muss man sich die Grundstruktur des Wasserstoffatoms vorstellen. Wasserstoffatome besitzen einen Kern, der nur aus einem Teilchen, dem Proton, besteht. Um dieses Proton kreist das Elektron. Das Proton ist positiv, das Elektron negativ geladen, und das ganze Atom ist somit elektrisch neutral. Unter dem Spin versteht man die Eigendrehung des Protons. Das Proton dreht sich also um seine eigene Achse wie ein Kreisel. Insofern ist das sich drehende Proton als rotierende Masse (m) aufzufassen, das einen Drehimpuls (M) aufweist. Da das Proton eine rotierende Ladung aufweist, besitzt es zudem ein magnetisches Moment (B) und verhält sich deshalb wie ein kleiner Stabmagnet. Dies hat zur Folge, dass es von Magnetfeldern und elektromagnetischen Wellen beeinflusst wird. Gleichzeitig kann durch die Bewegung des Protons in einer Empfangsspule eine Spannung induziert werden, die letztlich als MR-Signal fungiert. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der Spin nie abgebremst werden kann. Er ist immer gleich stark und eine Grundeigenschaft der Elementarteilchen.

Abbildung 4: Schematische Darstellung eines Protons, das infolge seines Spins ein magnetisches Feld aufbaut. N und S stehen für Nord und Süd und repräsentieren die jeweiligen Pole des Magnetfeldes.

Bringt man solche Spins in ein starkes Magnetfeld, kann man verschiedene für das MRI wichtige Phänomene beobachten. Wie oben bereits angedeutet, verhalten sich Spins wie Kreisel. Wirkt eine äußere Kraft auf einen Kreisel ein, um die Lage der Rotationsachse zu verändern, so macht der Kreisel eine Ausweichbewegung, welche als Präzessionsbewegung bezeichnet wird. Wirken ständig Kräfte an der Spitze des Kreisels ein, so entsteht eine Reibung, die dem Kreisel Energie entzieht und ihn bremst. Dadurch neigt sich zunehmend die Drehachse, bis der Kreisel quasi „umfällt“.

Durch ein von außen angelegtes Magnetfeld (B 0) richten sich die Spins wie Kompassnadeln entlang des Feldes aus. Die dann entstehenden Kreiselbewegungen der Spins erfolgen mit einer charakteristischen Frequenz, welche als Larmorfrequenz bezeichnet wird. Diese Frequenz ist proportional zur Magnetfeldstärke des äußeren Magnetfelds. Mit der Zeit richten sich die Spins parallel zum äußeren Magnetfeld aus und geben dabei Energie an ihre Umgebung ab. Die Larmorfrequenz ist für das MRI fundamental, denn darauf beruht praktisch die gesamte MRI-Bildgebung. Aus diesem Grunde soll an dieser Stelle noch mal die Definition der Larmorfrequenz explizit angegeben werden:

Die Larmorfrequenz ist die Präzessionsfrequenz eines Spins in einem Magnetfeld. Die Larmorfrequenz ist proportional zur Magnetfeldstärke (B0) und ergibt sich aus der Larmor-Gleichung9:

(1): w0 = a·B0

Dabei sind w0 die Larmorfrequenz in Megahertz (MHz), γ das sog. gyromagnetische Verhältnis, eine Konstante, die für jedes Element einen typischen Wert besitzt (für Protonen ist γ = 42,58 MHz/T) und B0 die Magnetfeldstärke in Tesla (T). Für Protonen beträgt die Larmorfrequenz 63,8 MHz bei 1,5 Tesla, im Erdmagnetfeld nur ca. 1 KHz.

Abbildung 5: Im Normalfall (ohne dass die Protonen in einem magnetischen Feld platziert sind) sind die Protonen hinsichtlich ihrer Magnetfeldkennlinien zufällig ausgerichtet.

Die in einem Magnetfeld präzessierenden Spins „beruhigen“ sich und streben einen stabilen Zustand an, in dem alle Spins mehr oder weniger entlang der magnetischen Achse ausgerichtet sind. D. h. mit zunehmender Ausrichtung der Spins in dem Magnetfeld baut sich eine Längsmagnetisierung (Mz) auf. In der Literatur wird der Verlauf des äußeren Magnetfeldes B0 von unten nach oben dargestellt und diese Richtung wird als Z bezeichnet. Die anderen Dimensionen sind demnach X und Y. Die xy-Ebene steht senkrecht auf der Z-Achse und liegt somit in den Abbildungen horizontal. Um eine große Längsmagnetisierung zu erhalten, muss ein starkes Magnetfeld anliegen. Handelsübliche MR-Tomographen generieren sehr starke Magnetfelder, welche wesentlich stärker (20 000–80 000-mal) als die Erdanziehungskraft sind. Dadurch werden natürlich größere Längsmagnetisierungen erreicht. Für die messtechnische Ausnützung des relativ „schwachen“ MR-Signals sind sehr große Magnetisierungen notwendig.

Sind die Spins durch ein äußeres Magnetfeld entlang der Magnetfeldlinie ausgerichtet worden, befinden sie sich in einem relativ stabilen Zustand. Führt man diesem stabilen Spin-System mittels eines Hochfrequenzimpulses (elektromagnetische Welle hoher Frequenz) Energie zu, kann dieses System gestört werden. Weist die elektromagnetische Welle die gleiche Frequenz wie die Larmorfrequenz auf, wird eine so genannte Resonanzbedingung erzeugt. Die „eingestrahlte“ elektromagnetische Welle wird durch einen sehr starken Radiosender erzeugt und mit einer geeigneten Spule auf das Gehirn fokussiert.

Abbildung 6: Die in einem Magnetfeld platzierten Spins orientieren sich wie kleine Stabmagneten. Die überwiegende Anzahl der Protonen orientiert sich in eine Richtung (up-Spin; parallel), während ein geringer Anteil von Protonen sich antiparallel ausrichtet (down-Spin; antiparallel).

Abbildung 7: Sind die Protonen in einem Magnetfeld platziert, orientieren sie sich entweder „parallel“ oder „antiparallel“.

Durch diese Energiezufuhr werden die Spins aus der Z-Richtung quasi „umgeklappt“ bzw. „gekippt“. Diesen Vorgang bezeichnet man auch als Anregung des Spin-Spin-Systems (im Jargon wird auch vom Spin-Spin-Ensemble gesprochen). Durch die Wahl geeigneter Hochfrequenzimpulse (Dauer und Leistung sind wichtige Parameter) kann die „Kipp-Art“ sehr präzise beeinflusst werden. So gibt es Hochfrequenzimpulse, welche eine Auslenkung der Längsmagnetisierung um genau 90° erreichen (90°-Impulse). Damit werden alle Spins und mit ihnen die gesamte Magnetisierung Mz in die XY-Ebene umgeklappt, so dass eine Mxy-Magnetisierung (Quermagnetisierung10) entsteht. Weil durch das äußere Magnetfeld die Spins die Tendenz haben, wieder in die Z-Richtung zurückzukehren, beginnen die Spins wiederum um die Z-Achse zu präzessieren. Sie drehen sich also in der XY-Ebene, und mit ihnen dreht sich der magnetische Summenvektor, der nun nicht mehr als Mz, sondern als Mxy benannt wird, um deutlich zu machen, dass er jetzt in der XY-Ebene liegt. Die Bewegung bzw. Rotation von Mxy (die man sich vorstellen kann wie das sich drehende Licht eines Leuchtturmes) wirkt wie ein elektrischer Generator und induziert in der Empfangsspule eine Wechselspannung, deren Frequenz gleich der Larmorfrequenz ist. Dies ist das eigentliche MR-Signal, das von spezialisierten Verstärkern aufgefangen und angeschlossenen Computern für die Bildgebung weiterverarbeitet wird.

Abbildung 8: Dargestellt sind die drei Dimensionen (auch Ebenen genannt), die zur Beschreibung des Magnetfeldes herangezogen werden. Mz ist die Longitudinalmagnetisierung und Mxy die Transversalmagnetisierung.

Diese Rotation der Spins in XY-Ebene wird transversale Magnetisierung Mxy (oder Quermagnetisierung) bezeichnet. Diese transversale Magnetisierung bleibt allerdings nicht erhalten, sondern schwächt sich zunehmend ab und entwickelt sich wieder zum Ausgangszustand zurück. Zwei Vorgänge sind an diesem „Rückbildungsprozess“ beteiligt, einerseits die Spin-Gitter-Wechselwirkung und andererseits die Spin-Spin-Wechselwirkung. Die Spin-Gitter-Wechselwirkung wird auch als T1-Relaxation (Längsrelaxation) und die Spin-Spin-Wechselwirkung als T2-Relaxation (Querrelaxation) bezeichnet.

Tabelle 1: Eigenschaften der wichtigsten in der Magnetresonanz verwendeten Kerne.

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