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Sprachtherapie für Menschen mit Mundhöhlenkarzinom: Veranschaulichung anhand eines Fallbeispiels

AutorTatjana Lisowsky
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl57 Seiten
ISBN9783956845840
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Jährlich gibt es in Deutschland bis zu 11.400 neu diagnostizierte Krebserkrankungen der Mundhöhle und des Rachens. Allein in den letzten Jahren lässt sich ein Anstieg des Tumorvorkommens im Kopf-Hals-Bereich von 25% feststellen. Oft sind große Einschränkungen im alltäglichen Leben mit dieser Krebsart verbunden. Neben sozialen Beeinträchtigungen kommt es in den meisten Fällen zu großen Einschränken der Sprech- und Schluckfähigkeit, die als Dysglossie und Dysphagie bezeichnet werden. In der sprachtherapeutischen Praxis handelt es sich bei Menschen mit Mundhöhlenkarzinom um ein eher neueres Arbeitsfeld, dass sich noch nicht in jedem Arbeitsalltag etabliert hat. Aufgrund dessen soll in dieser Arbeit der Aufgabenbereich für die sprachtherapeutischen Interventionen näher erläutert und anhand eines Fallbeispiels veranschaulicht werden.

Tatjana Lisowsky wurde 1990 in Kamen geboren. Das Studium der Rehabilitationspädagogik, mit dem Schwerpunkt Sprachtherapie, an der Technischen Universität Dortmund schloss die Autorin im Jahre 2013 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts erfolgreich ab

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.2, Möglichkeiten sprachtherapeutischer Interventionen: Im Rahmen der sprachtherapeutischen Interventionen für Menschen mit einem Mundhöhlenkarzinom gibt es viele Möglichkeiten, die zu einer Wiederherstellung der beeinträchtigten Fähigkeiten führen sollen, um damit die Lebensqualität zu steigern und eine Wiedereingliederung in die soziale Gesellschaft zu ermöglichen. Zu Beginn findet eine allumfassende interdisziplinäre Diagnostik statt, die die genaue Pathophysiologie der Betroffenen beschreiben soll (Seidl & Nusser-Müller-Busch, 2007) und die Einschränkungen genau erfasst. Von den SprachtherapeutInnen wird zunächst eine Anamnese durchgeführt, um sich einen Überblick über den Krankheitsverlauf, sowie die bisherigen Maßnahmen und die individuellen Beschwerden, verschaffen zu können. Anschließend folgt die Diagnostik. Dazu wird als erstes die Mundhöhle inspiziert, um die genauen organisch-strukturellen Veränderungen erfassen zu können. Als nächstes werden die funktionellen Fähigkeiten der PatentInnen erfasst. 'Es wird beurteilt: Ruhestellung, Willkürmotorik (Phonation, Artikulation, Schlucken von Speichel/Nahrung), Reflexe (Würg-, Palatal- Hustenreflex), Sensibilität und Temperaturempfinden' (Denk-Linnert, 2006, p.405). Zur motorischen Überprüfung kann der Untersuchungsbogen von Koppetsch (2006) verwendet werden, da er speziell bei Menschen mit oralen Tumoren getestet wurde und die genauen funktionellen Einschränkungen erfasst werden können. Um eine ausreichende Prüfung der Schluckfunktionen zu erzielen, gibt es zwei Verfahren, die sich im klinischen Alltag etabliert haben. Dazu gehören die Videofluoroskopie (VFS), sowie die fiberoptisch-endoskopische Schluckuntersuchung (FEES). Die VFC hat den Vorteil, dass sich alle Phasen des Schluckens vollständig abbilden lassen. Der Nachteil ist, dass sich dieses Verfahren aufgrund der Röntgenstrahlung nicht beliebig oft wiederholen lässt (Seidl & Nusser-Müller-Busch, 2007). Dazu kann die FEES verwendet werden, da mit diesem Verfahren ein häufiges Wiederholen möglich ist. Allerdings sind hier die orale und ösophageale Phase nicht sichtbar. Zudem können intradeglutitive Aspirationen aufgrund eines White-Out während der Epiglottiselevation nicht gesehen werden. In beiden Verfahren werden unterschiedliche Nahrungskonsistenzen gereicht, um eine genaue Aussage über das Schluckverhalten treffen zu können (Seidl & Nusser-Müller-Busch, 2007). Zusätzlich kann der Sydne Swallow Questionnaire (SSQ) angewendet werden, um die Einschränkungen aufzugreifen, die von den PatentInnen wahrgenommen werden und wie sich das Ess- und Trinkverhalten im Alltag zeigt (Dwivedi, St.Rose, Chisholm, Georgalas, Bisase, Amen, Kerawala, Clarke &Nutting, 2012). Mit Hilfe der ICF können dann der genau Funktionsverlust sowie die Einschränkungen im Bereich der Teilhabe von dem behandelnden Sprachtherapeuten dokumentiert werden. Anschließend ist es wichtig, die genauen Ziele der Therapie festzulegen. Im Sinne der ICF sollen diese mit den PatientInnen gemeinsam verfasst werden, um ihre genauen Bedürfnisse berücksichtigen zu können (Grötzbach & Iven, 2009). Dann erst kann mit der Entscheidungsfindung bezüglich der Wahl geeigneter sprachtherapeutischer Maßnahmen begonnen werden, die das Ziel verfolgen 'eine bestmögliche Wiederherstellung der Funktion zu erreichen' (Grötzbach & Iven, 2009, p.114) und individuell an den Patienten angepasst werden müssen. Die Rehabilitation im sprachtherapeutischen Setting umfasst Interventionen, die primär auf eine Verbesserung der Schluckfunktion abzielen und sekundär die Phonations- beziehungsweise Artikulationsfähigkeit verbessern. Dazu wird nach der Methode der Funktionalen Dysphagie Therapie (FDT) vorgegangen, die durch ein integriertes motorisches Training auch die Artikulationsfähigkeit verbessert (Denk-Linnert, 2006). Diese Methode ist für Menschen mit oralen Tumoren geeignet, da die FDT auf einer funktions- und problemorientierten Sichtweise beruht. Unterteilt werden können die funktionellen Interventionsmaßnahmen in drei Bereiche. Der erste Bereich beinhaltet die kausalen Therapieverfahren, wobei eine Restitution der gestörten Funktionen erzielt werden soll. Des Weiteren können, in einem zweiten Bereich, kompensatorische Therapieverfahren angewendet werden, die mit Hilfe von Ersatzstrategien den Schluckvorgang erleichtern sollen. Dazu zählen Kompensationstechniken die von den Betroffenen selbst angewendet werden können. Zu der dritten Kategorie gehören die adaptiven Therapieverfahren, bei denen diätische Maßnahmen erfolgen oder bestimmte Hilfsmittel zum Einsatz kommen, um den schluckgestörten Patienten an seine Umwelt anzupassen (Denk-Linnert, 2006). Es zeigt sich, dass ein frühzeitiger Therapiebeginn für das Ergebnis von entscheidender Bedeutung ist. Deshalb sollte, wenn möglich, kurze Zeit nach den operativen Maßnahmen, aber noch vor einer onkologischen Therapiemaßnahme, begonnen werden (Seidl & Nusser-Müller-Busch, 2007). Am Anfang der Therapie bieten sich die kausalen Therapieverfahren an, da sie auf die weiteren Interventionsmaßnahmen vorbereiten und eine Stimulation des Schluckreflexes bewirken. Die Anwendung von Stimuli bietet eine gute Grundlage, um die weiteren Übungen darauf aufzubauen. Diese müssen jedoch auf die organisch-strukturellen Gegebenheiten der PatientInnen abgestimmt werden, um eine schmerz- und nebenwirkungsfreie Anwendung zu gewährleisten. Verwendet werden können dabei jegliche Stimuli wie thermale Reize, Druck, Tapping, Dehnungen, Vibrationen und Berührungen (Motzko & Weinert, 2008). Anschließend werden aktivierende Motilitätsübungen für die am Schlucken und Sprechen beteiligten anatomischen Strukturen durchgeführt, um eine positive Veränderung der sensorischen und motorischen Fähigkeiten zu erreichen. 'Übungen zur Verbesserung von Zungenmotilität, Zungenkraft, Zungenbasisretraktion, der Larynxelevation sowie zur Anbahnung/ Verbesserung des Glottisschlusses werden von [...] [Logemann (1995), Neumann at al (1995) und Daniels (2000)] als wirkungsvoll eingestuft' (Prosiegel, 2003, p.22). Zu den aktivierenden Motilitätsübungen gehören jegliche Übungen gegen einen statischen oder dynamischen Widerstand (Motzko & Weinert, 2008). In der Literatur lassen sich mehrere Hilfsmittel finden, die dem Therapeuten die Arbeit erleichtern. Zur Aktivierung der Zungenmuskulatur kann beispielsweise mit Druck gegen einen Holzspatel ein Widerstand aufgebaut werden. Aber auch das Oral-Light®-System oder das TheraBite® werden als effektive Übungsgeräte in der Therapie für Menschen mit einem Kopf-Hals-Karzinom aufgeführt. Um nur eine der möglichen Methoden zu nennen, kann nach Mundhöhlenkarzinomen beispielsweise nach dem Prinzip der Propriozeptiven Neuromuskulären Faszilitation (PNF) gearbeitet werden. Hier wird mit verschiedenen Stimuli, aktivierenden Motilitätsübungen und autonomen Mobilitätsübungen gleichzeitig gearbeitet, um die sensomotorischen Bahnen wieder zu aktivieren (Bartolome & Schröter-Morasch, 2006). Diese Übungen sind insbesondere bei den Menschen hilfreich, die strukturelle Beeinträchtigungen im Kopf-Hals Bereich aufweisen (Gaziano, 2002). Des Weiteren werden autonome Mobilitätsübungen durchgeführt, bei denen der Patient selbstständig und ohne die Verwendung von Hilfsmitteln agieren muss. Dazu zählen 'motorische Funktionsübungen für die orofaziale Muskulatur, laryngeale Elevationsübungen [und] laryngeale Adduktionsübungen zur Förderung des Glottisschlusses' (Denk-Linnert, 2006, p.409). Aber auch das Üben von Lauten der ersten und dritten Artikulationszone wirken sich positiv auf den Lippenschluss sowie die Zungenrückenelevation aus. Saug- und Blasübungen eignen sich ebenfalls zur Rehabilitation der orofazialen Muskulatur nach Tumorerkrankungen. Insgesamt kommt es zu einer Steigerung der Motilität der oropharyngealen Strukturen, die zu einer Verbesserung der Artikulations- und Schluckfähigkeit führt. Zusätzlich wird auf den Einsatz kompensatorischer Schluckmanöver vorbereitet.
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