Kapitel 1 Vortragskompetenz
Eine Fähigkeit, die Sie lernen können
Na, aufgeregt?
Es kann einem schon Angst machen, auf ein Podium zu treten, während Hunderte Augenpaare auf Sie gerichtet sind. Ihnen graut davor, in einer Besprechung im Unternehmen aufzustehen und Ihr Projekt vorzustellen. Was, wenn Sie nervös werden und zu stottern anfangen? Wenn Sie vergessen, was Sie sagen wollten? Wie demütigend wäre das! Ihre ganze Karriere stünde auf dem Spiel! Vielleicht wird die Idee, an die Sie glauben, nie verwirklicht!
Gedanken wie diese können einem den Schlaf rauben.
Aber wissen Sie was? Diese Angst, vor anderen zu sprechen, hat fast jeder Mensch schon einmal erlebt. In Umfragen steht der Auftritt vor anderen ganz oben auf der Liste der Ängste, noch vor Schlangenphobien, Höhenangst und sogar noch vor dem Tod.
Wie kann das sein? Hinter dem Mikrophon versteckt sich keine Tarantel. Sie müssen keine Angst haben, vom Rand des Podiums aus in den Tod zu stürzen. Die Leute im Saal werden Sie nicht mit Mistgabeln angreifen. Woher also diese Angst?
Der Grund ist, dass so viel auf dem Spiel steht. Nicht nur dieser eine Moment, sondern Ihr ganzer Ruf. Wir legen großen Wert auf die Meinung, die andere von uns haben. Wir sind nun einmal Herdentiere. Wir sehnen uns nach der Anerkennung und Zuneigung der anderen. Unser Glück hängt in erstaunlichem Maße davon ab. Und wir haben das Gefühl, dass das, was auf dieser öffentlichen Bühne passiert, darüber entscheidet, ob uns andere Menschen wertschätzen oder nicht.
Aber mit der richtigen Einstellung können Sie sich diese Sorge zunutze machen. Sie kann nämlich ein überzeugendes Motiv sein, Ihren Vortrag gründlich vorzubereiten.
Wie Monica Lewinsky, als sie auf einer TED-Konferenz sprach. Für sie hätte kaum mehr auf dem Spiel stehen können. Siebzehn Jahre zuvor hatte sie eine öffentliche Demütigung erlebt, wie sie schlimmer kaum hätte sein können, und daran wäre sie fast zerbrochen. Nun wollte sie wieder an die Öffentlichkeit gehen und ihre Seite der Geschichte erzählen.
Aber sie hatte keinerlei Erfahrung mit öffentlichen Auftritten und wusste, dass es einer Katastrophe gleichkäme, wenn sie versagen würde. Nach ihrem Vortrag gestand sie mir:
Nervosität ist noch ein gelinder Ausdruck für das, was ich empfunden habe. Eher – aufgewühlt. Von Sorgen zerfressen. Von der Angst durchbohrt. Wenn ich an diesem Morgen den Strom in meinen Nerven hätte anzapfen können, dann hätten wir damit das Energieproblem der Menschheit gelöst. Ich sollte nicht nur vor einem Publikum aus prominenten und intelligenten Menschen sprechen, sondern mein Auftritt sollte auch noch aufgezeichnet werden, und wahrscheinlich würde er auch auf einer gut besuchten Plattform veröffentlicht werden. Das Trauma, das ich aus Jahren des öffentlichen Spotts zurückbehalten hatte, regte sich wieder. Tief in mir spürte ich die Angst, dass ich auf dem Podium von TED nichts verloren hatte. Gegen all das musste ich ankämpfen.
Aber Lewinsky fand eine Möglichkeit, mit dieser Angst umzugehen. Dazu verwendete sie einige verblüffende Techniken, die ich Ihnen in Kapitel 15 vorstelle. An dieser Stelle will ich nur so viel verraten: Es funktionierte. Ihr Auftritt wurde mit stehenden Ovationen bejubelt und innerhalb weniger Tage mehr als eine Million Mal aufgerufen und begeistert kommentiert. Er veranlasste sogar Lewinskys langjährige Kritikerin, die feministische Autorin Erica Jong, zu einer öffentlichen Entschuldigung.
Auch Jacqueline Novogratz, die wunderbare Frau, mit der ich heute verheiratet bin, fürchtete sich vor öffentlichen Auftritten. In der Schule und in der Universität verfiel sie schon beim Gedanken an ein Mikrophon und ein Publikum in Schockstarre. Aber sie wusste, dass sie mit ihrer Arbeit in der Armutsbekämpfung nur dann Erfolg haben würde, wenn sie andere für ihre Ideen gewinnen konnte. Also zwang sie sich dazu. Heute hält sie pro Jahr Dutzende Vorträge, die oft mit stehenden Ovationen bedacht werden.
Wohin Sie auch sehen, überall begegnen Ihnen Geschichten von Menschen, die Angst vor dem öffentlichen Auftritt hatten und eine Möglichkeit fanden, sie zu meistern – angefangen von der Präsidentengattin Eleanor Roosevelt über den Starinvestor Warren Buffett bis zu Prinzessin Diana, die ungern Reden hielt, aber eine Möglichkeit fand, informell mit ihrer eigenen Stimme zu sprechen und damit die Welt zu verzaubern.
Mit einem gelungenen Vortrag können Sie Erstaunliches zu Wege bringen. Wie der Unternehmer Elon Musk, als er am 2. August 2008 zu den Mitarbeitern von SpaceX sprach.
Musk galt nicht als großer Redner. Doch was er an diesem Tag sagte, markierte die Wende für sein Unternehmen. SpaceX hatte bereits zwei gescheiterte Raketenstarts hinter sich. Es war der Tag des dritten Starts, und alle wussten, wenn es diesmal wieder schiefging, dann wäre das Unternehmen vermutlich am Ende. Die Rakete Falcon hob ab, doch kurz nach der Zündung der zweiten Stufe nahm die Katastrophe ein weiteres Mal ihren Lauf und die Rakete explodierte. Die rund 350 Mitarbeiter versammelten sich zu einer Krisensitzung, und die Personalleiterin Dolly Singh erinnert sich, wie dick die Luft war. Elon Musk trat vor die Belegschaft. Er sagte den Mitarbeitern, er habe immer gewusst, dass es schwer werden würde, aber trotz allem hätten sie an diesem Tag etwas geschafft, das nur wenige Länder erreicht hätten, von Unternehmen ganz zu schweigen. Der erste Abschnitt des Starts sei erfolgreich verlaufen und habe die Raumkapsel hinaus ins All befördert. Nun mussten sie wieder aufstehen und sich an die Arbeit machen. Singh erinnert sich an den Höhepunkt der Ansprache:
Dann sagte Elon, mit der ganzen Energie, die er nach einer durchgearbeiteten Nacht aufbringen konnte: »Ich für meinen Teil werde niemals aufgeben – niemals.« Ich glaube, damals wären ihm die meisten von uns mit ein bisschen Sonnencreme in die Hölle gefolgt. Es war die eindrucksvollste Demonstration von Führungskraft, die ich je erlebt habe. Augenblicklich schlug die Stimmung im Raum von Niedergeschlagenheit in Entschlossenheit um, und die Leute blickten nach vorn, nicht zurück.
So viel kann eine einzige Ansprache bewirken. Auch wenn Sie kein Unternehmen leiten, können Sie mit einem Vortrag Türen öffnen oder Ihrer beruflichen Laufbahn eine Wende geben.
TED-Redner haben uns herrliche Geschichten darüber erzählt, welchen Eindruck sie mit ihren Vorträgen hinterlassen haben. Einige haben Angebote für Bücher, Filme, gut bezahlte Vorträge und unerwartete Spenden erhalten. Aber am schönsten sind die Geschichten von Vorträgen, die Ideen verbreitet und Leben verändert haben. Amy Cuddy hielt einen Vortrag darüber, wie eine Veränderung der Körpersprache das Selbstbewusstsein positiv beeinflussen kann. Daraufhin erhielt sie mehr als 15000 Zuschriften von Menschen aus aller Welt, die ihr mitteilten, wie sehr sie ihnen mit ihrer Botschaft geholfen hatte.
Nach seinem mitreißenden Vortrag setzte William Kamkwamba, ein junger Erfinder aus Malawi, der als Vierzehnjähriger in seinem Dorf eine Windmühle errichtet hatte, eine Kette von Ereignissen in Gang. Schließlich studierte er Ingenieurwesen am Dartmouth College.
Der Tag, an dem TED fast am Ende war
Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte aus meinem Leben erzählen. Als ich Ende 2001 die Leitung von TED übernahm, stand ich noch ganz unter dem Eindruck des Beinahe-Bankrotts meines Unternehmens, das ich über fünfzehn Jahre hinweg aufgebaut hatte. Ich hatte Angst vor einer neuerlichen Pleite. Ich hatte die TED Community bearbeitet, um sie von meinem Konzept für TED zu überzeugen, und ich war in Sorge, dass das Projekt eines unrühmlichen Todes sterben würde. Damals war TED eine Konferenz, die einmal jährlich in Kalifornien stattfand. Organisiert wurde sie von einem charismatischen Architekten namens Richard Saul Wurman, dessen Persönlichkeit bis in den letzten Winkel der Konferenz hinein spürbar war. Die Veranstaltung hatte ein Stammpublikum von rund achthundert Besuchern, doch die meisten schienen sich damit abgefunden zu haben, dass TED den Abschied von Wurman nicht überleben würde. Im Februar 2002 fand die letzte Konferenz unter seiner Leitung statt, und ich hatte nur diese eine Chance, um den Besuchern klarzumachen, dass sie auch im kommenden Jahr stattfinden und einen Besuch lohnen würde. Ich hatte allerdings noch nie im Leben eine Konferenz organisiert, und obwohl ich seit Monaten die Marketingtrommel für die Veranstaltung des kommenden Jahres rührte, hatte ich erst siebzig Karten verkauft.
Am letzten Morgen der Konferenz hatte ich eine Viertelstunde Zeit, um für TED zu werben. Aber ehe ich mehr erzähle, muss ich Ihnen etwas gestehen: Ich bin kein geborener Redner. Ich sage andauernd äh und mh. Ich halte mitten im Satz inne, um das richtige Wort zu finden. Allzu oft klinge ich ernst, leise oder abstrakt. Und mein schräger englischer Humor kommt auch nicht überall an.
In diesem Moment war ich so nervös und besorgt, ich könnte auf der Bühne eine schlechte Figur abgeben, dass ich nicht einmal stehen konnte. Also rollte ich einen Stuhl aufs Podium, setzte mich und begann.
Wenn ich mich heute an diesen Vortrag zurückerinnere, dann zucke ich vor Scham zusammen. Rückblickend würde...