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E-Book

Psychologie der Angst

Ein Lehrbuch

AutorHeinz Walter Krohne
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl479 Seiten
ISBN9783170295605
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Dieses Buch führt den Leser in die Grundlagen und unterschiedlichen theoretischen Ansätze der Psychologie der Angst ein. Darüber hinaus informiert es über die neuesten Fortschritte in ausgewählten Bereichen der Angstforschung, speziell der Angstmessung, der Angstbewältigung sowie der biologischen Grundlagen der aktuellen Emotion Angst und des Persönlichkeitsmerkmals Ängstlichkeit. Dem Autor gelingt es, die vielfältigen definitorischen, klassifizierenden und messmethodischen Ansätze nach einem einheitlichen Gesichtspunkt zu ordnen und hinsichtlich ihrer Qualität zu beurteilen. Anhand exemplarisch ausgewählter empirischer Befunde stellt er neuere Forschungsergebnisse zu den Entwicklungsbedingungen, Auslösern und Konsequenzen der Angst dar. Besonders eingegangen wird auf die neuesten Forschungen zu den neurobiologischen Grundlagen und Korrelaten der Angst.

Univ.-Prof. Dr. Heinz Walter Krohne ist Professor für Psychologie am Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine Arbeitsgebiete sind Persönlichkeits-, Emotions- und Gesundheitspsychologie, speziell Forschungen zu Stress- und Stressbewältigung.

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Leseprobe

Vorwort und Organisation des Buches


Die Feststellung, dass Angst zu den fundamentalen Themen menschlicher Existenz gehört, hat fast schon den Charakter einer Trivialität. Dichter und Philosophen haben sich über die Jahrhunderte zur Angst geäußert. Umso mehr überrascht es, dass sich die psychologische Forschung erst in den letzten Jahrzehnten eingehender mit diesem Thema beschäftigt hat. Gewissermaßen wie zum Ausgleich kann man dafür eine inzwischen fast unübersehbare Fülle empirischer Untersuchungen zur Angst registrieren. Dabei findet sich auch hier das für viele Themen der Psychologie typische Auf und Ab hinsichtlich der Beachtung in wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

Nach dem Initialimpuls in der Mitte des vorigen Jahrhunderts durch die Neobehavioristen und die frühen kognitionspsychologisch orientierten Forscher, der ganz wesentlich von Richard Lazarus betriebenen Etablierung des Gebietes und seiner Integration in die psychologische Stressforschung in der anschließenden Dekade und schließlich seiner systematischen Ausweitung, Differenzierung und insbesondere psychometrischen Bearbeitung war im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts ein gewisses Nachlassen der Forschungsbemühungen, wenn auch weniger in der Quantität, so doch in der Originalität der Ansätze zu registrieren. Das Interesse an der allgemeinen Emotionsforschung nahm zwar deutlich zu, das am speziellen Thema Angst aber ab. Hier scheint sich allerdings in jüngster Zeit eine gewisse Wende anzubahnen. Mit dem raschen Fortschritt der biopsychologischen Forschung, dem Aufkommen der Gesundheitspsychologie sowie der Entwicklung neuerer Modelle zur Verarbeitung emotionsbezogener Information scheint auch das Interesse an Fragen aus den Bereichen Angst und Stress wiedererwacht zu sein. Das Buch versucht, diese Entwicklung aufzunehmen.

Dem Thema Angst kann man sich von vielen Seiten nähern. Für mich waren drei Zielsetzungen maßgebend. Zum einen sollten die vielfältigen definitorischen, klassifizierenden und messmethodischen Ansätze nach einem einheitlichen Gesichtspunkt geordnet und (dies gilt besonders für die Messmethoden) hinsichtlich ihrer Qualität geprüft und beurteilt werden. Zum anderen waren theoretische Ansätze zur Angst ausführlicher vorzustellen und kritisch zu analysieren. Schließlich galt es, neuere Forschungsergebnisse zu den Bedingungen und Konsequenzen der Angst jedenfalls so weit exemplarisch darzustellen, wie von ihnen fruchtbare Impulse für Forschung und Anwendung zu erwarten sind.

Organisation. Die Gliederung des Buches folgt diesen Zielsetzungen, indem zunächst Definitionen, Klassifikationen und Messmethoden zur Angst besprochen, sodann Theorien zu diesem Thema kritisch analysiert und schließlich exemplarisch ausgewählte empirische Befunde dargestellt werden. Diesen Zielsetzungen entsprechend werden in den vier Teilen des Buches unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt.

Der Teil I liefert in Kapitel 1 zunächst Definitionen zur Angst, Abgrenzungen von benachbarten Konzepten sowie Differenzierungen hinsichtlich der Angstkomponenten und verschiedener Angstneigungen. Zentral ist dabei die Differenzierung nach der Persönlichkeitseigenschaft Ängstlichkeit und Angst als Zustand. Für den Angstzustand werden die einzelnen „Ebenen“ seiner Manifestation sowie seine unterschiedlichen Komponenten dargestellt. Dagegen konzentriert sich die Beschreibung der Ängstlichkeit auf die verschiedenen Bereiche des Lebens (u. a. Prüfungen, soziale Situationen, körperliche Gefährdungen), in denen Menschen unterschiedlich ausgeprägte Angstneigungen entwickeln können.

Aufbauend auf diesen Differenzierungen werden sodann in Kapitel 2 Ansätze und Verfahren zur Messung der Ängstlichkeit und des Angstzustands beschrieben und kritisch bewertet. Indikatoren des aktuellen Zustands wie auch der Persönlichkeitseigenschaft lassen sich dabei den Merkmalsbereichen der subjektiven Beschreibungen, verhaltensmäßig-expressiven Reaktionen und physiologischen Prozesse zuordnen. Dieser Abgrenzung folgt auch die Gliederung der Darstellung von Erhebungsverfahren.

Im Mittelpunkt von Teil II steht das Merkmal Angstbewältigung. In Kapitel 3 stelle ich zunächst Formen und Strategien der Angstbewältigung vor und beschreibe ausgewählte Verfahren zu deren Erfassung. In gewisser Weise zeigt damit dieses Kapitel den gleichen Aufbau wie Teil I. Allerdings weiche ich bei der Darstellung der Messung von Angstbewältigung insofern von der aus Kapitel 2 bekannten Gliederung ab, als ich mich weitgehend auf die subjektive Erhebungsebene beschränke. Zwar gibt es speziell unter den sogenannten projektiven Verfahren eine Reihe von Ansätzen, die behaupten, Stile der Angstbewältigung zu erfassen. Die theoretische Grundlegung und die empirische Basis dieser Verfahren sind jedoch nach meiner Auffassung nicht geeignet, diese Behauptung überzeugend zu stützen.

In Kapitel 4 wird sodann ein Überblick über theoretische Konzepte in der Angstbewältigung gegeben. Die Darstellung beginnt mit der „Wahrnehmungsabwehr“, die unmittelbar zum „Stammvater“ dieser Konzepte, dem Repression-Sensitization-Konstrukt, geführt hat. Die Kritik an diesem Konstrukt hat schließlich zur Entwicklung einer Reihe von neueren Modellen geführt, von denen die wichtigsten dargestellt werden.

In Teil III werden die bedeutendsten Theorien zur Angst vorgestellt. Den Anfang macht als historisch erste Theorie in diesem Feld der psychoanalytische Ansatz Freuds (Kapitel 5). Ihm folgen grundlegende reiz-reaktionstheoretische (behavioristische) Ansätze, beginnend mit den Vorstellungen Watsons, über deren Erweiterung und theoretische Elaborierung durch Miller und Mowrer bis hin zu den schon deutlich kognitive Elemente enthaltenden Theorien von Spence und Taylor bzw. Spielberger (Kapitel 6). Daran schließen sich biopsychologische Theorien an, die in den letzten beiden Jahrzehnten einen starken Bedeutungszuwachs erlebt haben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Grays Theorie der Verstärkersensitivität (Kapitel 7). Drei prominente neuere kognitions- und handlungstheoretische Ansätze beschließen diesen Abschnitt (Kapitel 8): die Theorie Epsteins, das inzwischen zu einer umfassenden Emotionstheorie ausgearbeitete Stressbewältigungsmodell von Lazarus sowie der von Carver und Scheier entwickelte handlungstheoretische Ansatz.

Wenn die Darstellung dabei auch der historischen Entwicklung vom psychoanalytischen über die behavioristischen zu den biopsychologischen und kognitionstheoretischen Ansätzen folgt, so ist diese Sequenz doch keineswegs als Linie eines Theoriefortschritts zu verstehen. Jeder Ansatz hat Bleibendes zum Verständnis der Angst geleistet und ist in vielen Aspekten durchaus noch aktuell.

Tatsächlich finden sich Elemente aus einem Ansatz häufig auch in den anderen Gruppen. So enthält die Theorie Freuds sowohl reiz-reaktionstheoretische als auch kognitive Elemente, während die dem Reiz-Reaktionsansatz zuzuordnende Theorie von Spence auch kognitive Erklärungskonzepte verwendet. Die Theorie von Spielberger versucht sogar explizit einen Brückenschlag zwischen behavioristischer (reiz-reaktionstheoretischer) und kognitiver Sichtweise. Die biopsychologischen Ansätze (Eysenck, Gray) sind in ihrer Terminologie eindeutig reiz-reaktionstheoretisch orientiert, öffnen sich allmählich aber auch für kognitive Konzepte. Eine gewisse Sonderstellung nimmt die Theorie Epsteins ein, die man am ehesten als eine mit kognitiven Elementen durchsetzte psychophysiologische Theorie der Angsthemmung bezeichnen kann.

In Teil IV werden Beziehungen dargestellt, die in empirischen Untersuchungen zwischen Indikatoren der Angst bzw. Ängstlichkeit und anderen psychologisch relevanten Merkmalen beobachtet wurden. Die Ordnung dieser Beziehungen differenziert einerseits zwischen Befunden, die sich primär auf Bedingungen bzw. Antezedenzien der Angst beziehen (Kapitel 9), und Daten, die die Konsequenzen der Angst betreffen (Kapitel 10). Dabei ist sowohl innerhalb der Antezedenzien als auch der Konsequenzen nochmals zwischen Bedingungen bzw. Folgen, die in relativer zeitlicher Nähe zur ausgelösten Angstemotion stehen, also proximal sind, und zeitlich entfernteren (distalen) Bedingungen bzw. Folgen zu unterscheiden.

Der aktuelle Zustand der Angst wird sowohl durch situative als auch durch personspezifische Umstände ausgelöst. Bestehen diese proximalen Antezedenzien in personspezifischen Verhaltenstendenzen, so weisen sie entweder eine biologische Basis oder eine Lerngeschichte auf, sind insofern ihrerseits wiederum auf Bedingungen zurückzuführen, z. B. auf genetische Determinanten, elterliche Erziehungsstile oder andere Sozialisationsfaktoren. Diese Umstände werden distale Antezedenzien der Angstemotion genannt.

Als Zustand hat Angst verschiedenartige Konsequenzen, beispielsweise Veränderungen der Leistung, der Aufmerksamkeit oder des Sozialverhaltens. Ich spreche hier von proximalen Konsequenzen. Eine Reihe dieser unmittelbaren Folgen zieht ihrerseits wiederum Konsequenzen nach sich, z. B. eine Chronifizierung von Minderleistung, geringe Kompetenzerwartung, festeingefahrene Formen der Vermeidung bestimmter Sachverhalte oder eine Beeinträchtigung des psychophysischen Gesundheitsstatus. Diese zeitlich länger erstreckten Phänomene bilden die distalen Konsequenzen der Angst.

Leserkreis. Dieses Buch ist nicht in dem Sinne ein Einführungstext, dass es nur einen schnellen und ersten Überblick zum Thema Angst liefert und ansonsten auf spezialisiertere Literatur verweist. Vielmehr wendet es sich sowohl an Anfänger in der Psychologie, den benachbarten Sozial- und Verhaltenswissenschaften, der...

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