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E-Book

Mütter ohne Liebe

Vom Mythos der Mutter und seinen Tabus

AutorGaby Gschwend
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl121 Seiten
ISBN9783456947402
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Medien und Werbung setzen uns täglich eine heile, idyllische Mutter-Kind-Welt vor. Es gilt als ein Sakrileg, die Position der Mutter anzugreifen oder das Wesen der Mutter-Kind-Beziehung zu hinterfragen. Das vorliegende Buch strebt, jenseits der verklärenden Sicht des Muttermythos, eine sachlichere und vollständigere Wahrnehmung von Müttern und Mutter-Kind-Beziehungen an, denn es kann zu viel Verwirrung und unerkanntem Leid in der Beziehung zwischen Müttern und ihren Kindern führen, ein idealisiertes und falsches Bild der Mutter aufrechtzuerhalten. Zu den hier thematisierten 'Unaussprechlichkeiten' der Mutter-Kind-Beziehung gehören insbesondere Aspekte wie das Eigeninteresse der Mutter am Kind, die Ablehnung der Mutterschaft und das Phänomen der Abneigung, Aggression und Destruktivität gegen die eigenen Kinder, das wohl eines der letzten großen Tabuthemen unserer Gesellschaft ist. Das Buch rüttelt am Mythos der Mutter und thematisiert realitätsnah verborgene und verleugnete 'Schattenseiten', die dem gesellschaftlichen Bild der Mutter nicht entsprechen, jedoch zur alltäglichen Realität von Kindern und Müttern gehören. Dabei spricht es sowohl eine breite Öffentlichkeit als auch ein interessiertes Fachpublikum an und lädt zur Diskussion ein.

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Kapitelübersicht
  1. Inhalt und Vorwort
  2. 1 Mutterliebe
  3. 2 Vom Mythos der Mutter und von Müttern ohne Liebe
  4. 3 Die ablehnend-distanzierte Mutter
  5. 4 Die seelisch ausbeutende Mutter
  6. 5 Die aktiv Gewalt ausübende Mutter
  7. 6 Die Überwindung des Muttermythos
  8. Literatur
Leseprobe
5 Die aktiv Gewalt ausübende Mutter (S. 91-92)

Guten Tag, oft und wiederholt schlägt meine Frau meinen Sohn. Heute waren es über siebzig Schläge, weil er seine Bromhexintabletten nicht schlucken wollte […] Sie sagt mir immer ich darf mich nicht einmischen, das würde die Erziehung untergraben und vor allem ihre Autorität. Meine Frau ist Ärztin und hat immer recht […] Das Problem ist aber viel schwerer, es vergeht fast kein Tag, an dem unser Sohn nicht von meiner Frau geschlagen wird. Wenn er statt einer eins nur eine zwei nach Hause bringt zum Beispiel. Wenn er nicht schnell genug irgendwelche Anweisungen ausführt. Wenn er das versalzene Essen nicht zu Ende essen will. Nun muss er seine Wäsche selbst waschen, soll allein kochen. Natürlich darf ich ihm nicht dabei helfen. Das alles um ihn zu einem selbständigen Sohn im Sinne des Kindswohles zu erziehen. Meine Frau droht mir damit, dass sie bei einer Scheidung das alleinige Sorgerecht bekommt. Meine größte Angst ist die, dass das wahr wird. Ist das wirklich immer so?

Dieser Brief eines verzweifelten, Rat suchenden Vaters stammt aus einem Internet-Forum, und er ist nur einer von vielen Beiträgen, in denen mütterliche Gewalt off enbar wird, die sich häufi g jenseits der Öff entlichkeit im privaten «Mutter-Kind-Heim» abspielt. Die Werbeindustrie setzt uns täglich eine verkitschte Mutter-Kind-Welt vor, während die Massenmedien mit traurigen und grausamen Kinderschicksalen aufwarten. Diese aber sind nur die Spitze eines Eisbergs, die nicht (mehr) zu übersehen sind. In tieferen Schichten ist ein Vielfaches an unerkannten Schicksalen verborgen. Für viele Kinder ist seelische und körperliche Misshandlung, auch und vor allem seitens ihrer Mütter, trauriger und grausamer Alltag.

Entgegen der Suggestionen des Muttermythos macht Mutterschaft nicht frei von Wut und Grausamkeit. Seelische und körperliche Gewalt von Müttern gegen ihre Kinder ist häufi ger, als wir wahrhaben wollen und öff entlich wird dieses Th ema schon gar nicht thematisiert. Aus Gründen der Moral und des Anstandes verdrängen und verleugnen die meisten Frauen bestimmte Gefühle und spontane Impulse gegen ihre Kinder. Aber in Ohrfeigen, Wutausbrüchen und Beschimpfungen kommen ihre tieferen Regungen doch unvermittelt ans Licht. Dann schießen in ihnen vielleicht urplötzlich unkontrollierte Wut- und Hassgefühle hoch, die danach verlangen, das Kind niederzumachen – mit Worten oder mit körperlicher Gewalt. Das Kind ist dabei der Übermacht der Mutter, ihrer Wut und Frustration hilfl os ausgeliefert und ein idealer «Sündenbock».

5.1 Formen der Gewalt

Kindesmisshandlung kann als eine «nicht zufällige, gewaltsame psychische und/oder physische Beeinträchtigung des Kindes» defi niert werden (Deegener 2005, S. 37). Unterschieden wird nach den verschiedenen Formen von Gewalt in:
• emotionale/seelische Gewalt/Misshandlung
• Vernachlässigung
• körperliche Gewalt/Misshandlung
• sexueller Missbrauch.

Oft handelt es sich um Kombinationen von Gewaltformen, und seelische Misshandlung ist immer auch ein Bestandteil der anderen Formen von Gewalt.

5.1.1 Seelische Gewalt Seelische Gewalt ist nicht so leicht wahrzunehmen und zu fassen. Es handelt sich um wiederholte, aber unterschiedliche und zum Teil subtile Verhaltensweisen der Pfl egeperson. Gemeinsam ist ihnen, dass sie dem Kind zu verstehen geben, «es sei wertlos, mit Fehlern behaft et, ungeliebt, ungewollt, gefährdet oder nur dazu nütze, die Bedürfnisse eines anderen Menschen zu erfüllen» (ebd., S. 143). Es sind Verhaltensweisen, die Kinder entwerten, ängstigen oder überfordern und sie in ihrer Entwicklung beeinträchtigen.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort10
1 Mutterliebe14
Zur Geschichte der Mutterliebe14
Das 18. Jahrhundert: Mutterschaft ohne Sentimentalitäten15
Das 19. Jahrhundert: Idealisierung der Mutterschaft17
Die neue Mutter19
Das 20. Jahrhundert: Psychologisierung der Mutter- Kind- Beziehung20
Zur Psychologie der Mutterliebe23
Theorien zur Entstehung der Mutterliebe24
Mütterliche Liebe29
2 Vom Mythos der Mutter und von Müttern ohne Liebe32
Das Ideal der Mutterliebe33
Die unhinterfragten Annahmen des Muttermythos35
Die Selbstlosigkeit der Mutter35
Die Reinheit der Mutterliebe37
Mütter lieben alle ihre Kinder gleich38
Alle Mütter lieben ihre Kinder39
Die Unentbehrlichkeit der Mutter für das Kind40
Die Auswirkungen des Muttermythos41
Verdrängung und Verleugnung der negativen Seiten der Mutterschaft42
Verdrängung und Verleugnung ambivalenter und ablehnender Gefühle45
Verdrängung und Verleugnung der Existenz von lieblosen Müttern47
Merkmale von Müttern ohne Liebe47
3 Die ablehnend-distanzierte Mutter50
Merkmale und Eigenschaften52
Interesselosigkeit52
Körperliche Ablehnung54
Emotionale Unberührbarkeit55
Ursachen und Hintergründe56
Die Biografie der Mutter56
Selektive Ablehnung57
Die Enttäuschung über das eigene Leben60
Die solipsistische Persönlichkeit60
Auswirkungen62
Sich unwürdig fühlen63
Körperliche Entfremdung64
Einsamkeit und emotionaler Hunger65
Anstrengung und Selbstverleugnung67
Wege zur Selbsthilfe67
Die Heilung des inneren Kindes68
Botschaft für lieblose Mütter70
4 Die seelisch ausbeutende Mutter74
Merkmale und Eigenschaften76
Pseudo- Nähe77
Autonomie- und Individuationsverbot78
Manipulation und Kontrolle79
Ursachen und Hintergründe81
Die kastrierte Mutter81
Minderwertigkeit und Depression82
Auswirkungen83
Selbstentfremdung und Selbstverlassenheit83
Wahrnehmungskonfusion und Gefühlsentfremdung84
Im Kampf zwischen Abhängigkeit und Autonomie85
Anregungen zur Selbsthilfe86
Wege zur Autonomie86
Loslassen können88
5 Die aktiv Gewalt ausübende Mutter92
Formen der Gewalt93
Seelische Gewalt93
Vernachlässigung94
Körperliche Gewalt95
Sexueller Missbrauch97
Ursachen und Hintergründe97
Der Kreislauf der Gewalt98
Macht- und Dominanzstreben98
Belastende Bedingungen99
Auswirkungen100
Angst und Misstrauen101
Selbsthass und Selbstverachtung101
Beziehungsstörungen102
Anregungen zur Selbsthilfe103
Selbstwert und Selbstwirksamkeit103
Soziale und psychologische Unterstützung105
6 Die Überwindung des Muttermythos106
Negative Auswirkungen des Muttermythos106
Das Leiden am Ideal107
Das Tabu destruktiver Mutter- Kind- Beziehungen108
Alleinzuständigkeit und Machtmonopol der Mutter109
Die Väter im Abseits110
Der Verzicht auf den Muttermythos und seine Folgen112
Realistisches Mutterbild112
Wahrnehmung von problematischen und destruktiven Mutter- Kind- Beziehungen114
Erweiterte Zuständigkeit114
Voraussetzungen, Widerstände, Hindernisse116
Literatur120

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